Hundekuchen zum Frühstück: Roman (German Edition)
zu.
» Nicht wirklich«, sagte Max. » Was genau wollen Sie denn sagen?«
» Oh, hat sie Ihnen denn gar nichts davon erzählt?« Kerrie biss sich auf die Lippen und starrte auf den Tisch hinunter. » Nun, ich will nichts ausplaudern.« Ich hielt den Atem an und wartete. Kerrie war für mich wie eine große Schwester, und ich wusste, dass es an ihrer Fürsorglichkeit lag, dass sie den Leuten oft Dinge erzählte, die ich niemals preisgeben würde. Manchmal war das hilfreich, aber manchmal tat es auch weh. » Nun ja, Jess hatte eine harte Kindheit. Sie ist bei Pflegeeltern aufgewachsen und wurde viel herumgeschubst. Ihre leibliche Mutter hat sie noch als Kleinkind den Behörden übergeben– können Sie sich das vorstellen? Ich weiß nicht, wie eine Mutter so etwas fertigbringt. Wenn ich mir vorstelle, wie es sich anfühlen muss, sich so ungewollt vorzukommen…«
Kerrie seufzte. Ich wusste, dass sie an ihren Sohn dachte und sich vorstellte, welchen Einfluss eine Kindheit wie die meine wohl auf ihn gehabt hätte. Beim Zuhören sah ich mich bereits als jämmerliche Gestalt, die unter einer dicken Lage von Verbänden verborgen war. Wie konnte ich jemals aufrecht neben anderen Menschen stehen? Zum Beispiel neben Max?
» Das stelle ich mir ganz entsetzlich vor«, sagte Max und sah zu mir hinunter. Doch ich konnte diesen Blick nicht aushalten– ich kroch zur anderen Seite des Tischs und starrte von dort auf den Platz hinaus. Eine Familie spazierte über das Pflaster, und jeder Elternteil hielt das Kleinkind an einer Hand. Eins, zwei, drei und hoch! Eins, zwei, drei… » Viele Menschen haben eine harte Kindheit«, fuhr Max fort, » aber das muss keine lebenslängliche Strafe sein.«
Nein?
» Was Jess angeht, so frage ich mich das manchmal.« Ich hörte Kerries Ohrringe klimpern, als hätte sie den Kopf geschüttelt. » In ihrem Leben lässt sich fast alles darauf zurückführen– ihr Arbeitseifer und ihre mangelnde Fähigkeit, sich richtig zu entspannen und einmal ganz sie selbst zu sein. Auch ihr extremes Verhalten gegenüber Hunden muss irgendwie damit zusammenhängen. Keine Ahnung, was ich von diesem weißen Hund halten soll, mit dem sie die ganze Zeit herumzieht. Ich fürchte, sie will sich gewaltsam von ihrer Phobie kurieren. Ich mache mir ernsthaft Sorgen.«
Plötzlich konnte ich die Unterhaltung keine Sekunde länger ertragen. Ich hasste Mitleid. Und das Jammern über meine harte Kindheit zu hören, war fast noch schlimmer, als sie zu erleben. Außerdem brachte es mich um, meine Kindheit so vor Max ausgebreitet zu sehen. Das würde ihn nur abstoßen.
Hinter mir hörte ich Zoë brüllen: » Hey! Hier hat jemand einen Kaugummi verloren!« Das war genau der richtige Moment. Ich kroch am anderen Ende des Tischs hervor. Dann lief ich quer über den Platz davon und verschwand in der schmalen Gasse nicht weit vom Eggs About Madrona. Im Schatten blieb ich stehen und drehte ein Ohr nach hinten. Ich stand ganz still und wartete, dass sich mein Herzschlag beruhigte, aber ich hörte nichts.
Sie hatten meine Flucht nicht bemerkt.
Zoë
Dr. Max hört mich » Hey! Hier hat jemand einen Kaugummi verloren!« rufen und kommt zu mir. Ich zeige ihm den Kaugummi. Ich würde ihn aufheben und ein paar Mal darauf herumkauen, aber dann schauen die Menschen immer so komisch. Ich mag diese Blicke nicht. Also zeige ich ihm lieber die Frisbeescheibe, die ich gefunden habe.
» Wirf sie!« Er tut es und ich renne der Scheibe nach, doch als ich sie zurückbringe, fühle ich mich plötzlich ganz leer, wie ein Ball ohne Luft. Bei Frisbeescheiben muss ich an mein Zuhause denken. Früher hat uns einmal ein Junge besucht und vor dem Haus eine Frisbeescheibe für mich geworfen. Das war einer der schönsten Tage in meinem Leben.
» Was ist los?«, fragt Dr. Max.
» Ich muss unbedingt ein paar Leute besuchen, aber ich weiß nicht, wie ich hinkommen soll. Kannst du mich zu dem Haus bringen? Keiner kann es finden. Kannst du es vielleicht?«
Dr. Max überlegt, und dann stellt er mir tausend Fragen über meine Familie. Er will wissen, wie das Haus aussieht ( » Echt groß, mit Gras davor.«) und wie lange ich dort gewohnt habe ( » Immer!«). Er fragt auch nach Mom und Dad, und ich erzähle ihm, dass Mom auf der Hundehochzeit den Kuchen auf dem Kleid hatte.
» Sie hatte ein gelbes Kleid an. Und sie roch nach Blumen. Sie riecht immer nach Blumen.«
Dr. Max geht ins Café, und als er zurückkommt, hat er ein Blatt Papier in der Hand. » Jessica
Weitere Kostenlose Bücher