Hundekuchen zum Fruehstueck
brach sie mitten im Satz ab. » Hm, ich muss aufhören«, sagte sie und klappte das Handy zu. Verlegen starrten wir einander an.
Ich öffnete den Mund – und schloss ihn sofort wieder. Ich wollte Naomi zu gern Mut machen und ihr sagen, dass sie sich irrte, dass es das Glimmerglass sicher noch hundert Jahre lang geben würde und sie immer mit einem Gehaltsscheck würde rechnen können. Aber welche Versprechungen konnte ich schon machen? Ich wollte sie nicht anlügen. Ich fand es schrecklich, wenn meine Angestellten sich Sorgen machten. Naomi hatte zwei Kinder und musste jeden Monat die Miete bezahlen. Vom Mittagessen in der Schule gar nicht zu reden.
» Es tut mir leid, Naomi«, begann ich. Vor Rührung klang meine Stimme ganz rau, und in meinem Magen regte sich ein ungutes Gefühl. » Es tut mir wirklich sehr leid. Wir tun, was wir können, aber es steht nicht wirklich gut. Falls der Strom rechtzeitig eingeschaltet wird und wir beim Festival ein gutes Geschäft machen, könnte es allerdings hinhauen.« Angesichts meiner utopischen Hoffnungen musste ich lächeln. War es unfair, Naomi auf dem sinkenden Schiff zurückzuhalten, wenn sie ihre Zeit und ihre Kraft vielleicht besser in neue Aufgaben investierte? In letzter Zeit hatten wir Naomis Job ohnehin ausgeweitet. Seit das Geschäft im Bistro immer mehr zurückging, hatte Kerrie unsere zweite Küchenchefin auch mit den Backwaren für die Kuchenvitrine betraut. Durch den Verkauf der eigenen Produkte sparten wir eine Menge Geld, aber dafür hatten wir Naomi eigentlich nicht eingestellt. » Wir tun alles, damit das Café nicht schließen muss. Ich will auf keinen Fall, dass du deinen Job verlierst.«
Beruhigend legte Naomi mir ihre Hand auf den Arm. » Himmel, Jess, das weiß ich doch. Und du weißt hoffentlich auch, dass ich lieber für dich und Kerrie arbeite als für sonst jemanden auf der Welt. Ich versuche nur, praktisch zu sein. Mehr nicht. Ich muss eben an meine Kinder denken. Aber ihr seid die tollsten Chefinnen, die ich mir denken kann.« Sie schloss mich in die Arme.
Mit feuchten Augen löste ich mich von ihr. » Wir werden die Krise schon meistern«, versprach ich und betete, dass meine Worte sich bewahrheiteten. » Danke, dass du zu uns hältst.«
» Versprochen.« Sie zwinkerte verschwörerisch. » Und mach dir keine Sorgen – wir sind bestimmt fertig, bevor Sexy Max auf der Bildfläche erscheint.«
Ich errötete. Sexy Max war unser bestaussehendster Kunde, der jeden Morgen Punkt neun Uhr am Espressotresen erschien und meinen Tag zum Strahlen brachte. Falls der Strom ausblieb und ich Sexy Max heute nicht zu Gesicht bekam, wäre dies der elendeste Tag in meinem Leben. Ich sah auf die Uhr. Gerade noch eine halbe Stunde.
Max. Besonders auffällig an ihm waren seine Wangenknochen, die eines Indianerprinzen würdig gewesen wären. Insgeheim stellte ich mir manchmal vor, wie ich diese Wangen küsste, wenn sie vom Wind noch ganz kühl waren, wie meine Lippen danach zu seinem Mund, seinem Hals und weiter wanderten … Wenn ich nur daran dachte, kringelten sich schon meine Zehennägel ein.
Natürlich hatte Sexy Max noch sehr viel mehr zu bieten als nur seine Wangenknochen. Er war groß – meistens der Größte im Café –, hatte rabenschwarzes Haar und sorgfältig getrimmte Koteletten. Und dunkle Augen, in denen man sich verlieren konnte, wenn man nicht achtgab.
Als Naomi und ich die Toilette verließen, liefen wir Kerrie in die Arme, die gerade mit einer Kerze in der Hand durch den Flur ging. Meine Geschäftspartnerin war eine begnadete Köchin, doch das Erste, was an ihr ins Auge fiel, war ihre Stilsicherheit. Kerrie war Mitte vierzig und trug ihr blondes Haar in einem fetzigen Bob. Und sie besaß ungefähr fünfzig verschiedene Brillen, eine dramatischer als die andere. Heute hatte sie ein breitrandiges Exemplar im selben Malachitgrün wie ihre Ohrringe gewählt. Sie sah uns kurz an und sagte dann: » Hey, Leute, keine solch trübseligen Mienen, wenn ich bitten darf. Dafür ist es viel zu dunkel.«
Genau in dieser Sekunde flammten alle Lichter auf, und wir blinzelten in die plötzliche Helligkeit.
» Hey, der Strom ist wieder da!« Kerrie strahlte mich an. » Gut gemacht, Jess – du hast es geschafft! Zumindest heute läuft alles normal.«
» Hurra, hurra!«, jubelte ich und notierte gedanklich, als kleines Dankeschön einen Gutschein für einen Latte macchiato an Marguerite zu schicken. Ich sauste nach vorn und drehte das Schild an der
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