Hundertundeine Nacht
medizinischen Instrumenten unbeschadet durch die Gegend fährt und tatsächlich sowohl mit den Lastwagen wie auch mit der kompletten Fracht bis in das irakische Kurdistan kommt. Also, alles was recht ist!«.
Tatsächlich war die Fracht in Kurdistan nicht mehr ganz komplett, und was Waldecks Bedenken hinsichtlich Transporten durch Osteuropa betraf, waren sie wahrscheinlich eine korrekte Beschreibung der Realität. Aber wieder kannte er Celine nicht. Am besten hatte mir ihr E-Mail-Bericht von der bulgarischen Grenze gefallen, wo man sie nur gegen Abgabe mindestens der Hälfte der mitgeführten Sachen durchlassen wollte. Nach einer Nacht mit fünf Flaschen Slibovicz und unzähligen Runden Poker hatten sich die Schlagbäume gehoben. Aber, noch einmal: Man muß Celine kennen, um diese Geschichte zu glauben. Für mich hätte sich auch nach fünf Kisten Slibovicz die Grenze nicht geöffnet, sicher auch nicht für meine beiden Freunde vom Verfassungsschutz. Aber Einzelheiten gingen die beiden nichts an, ihnen gegenüber beließ ich es bei dem Hinweis auf Frau Bergkamps »ungewöhnliche Durchsetzungskraft«.
Waldeck war nicht überzeugt, ganz und gar nicht, dafür um so mehr von seiner eigenen Theorie.
»Ich will Ihnen sagen, wie man so einen Transport da unten durchbekommt. Sie haben es vorhin selbst erwähnt: mit Drogen zum Beispiel. Für ein paar Kilo ist in einem Lastwagen immer Platz. Natürlich nur um der guten Sache willen.«
Seit wann kümmerte sich der Verfassungsschutz um Drogen? Soweit ich wußte, waren Drogen das neue Hobby des Bundesnachrichtendienstes, nachdem ihm die kommunistischen Spione ausgegangen waren. Vielleicht aber war genau das auch der Grund für ihre absurde Unterstellung.
»Da habe ich wohl in der Schule nicht richtig aufgepaßt. Heutzutage werden also Drogen von hier in den Irak geschmuggelt?«
Jablonske versuchte, seinem Kollegen zu helfen.
»Sie machen sich keine Vorstellungen, was auf dieser Strecke alles versucht wird. Aber wir sprechen natürlich von dem umgekehrten Weg.«
Waldeck nahm die Vorlage an.
»Wir meinen, der ganze private Hilfskonvoi für die armen Kurden im Irak könnte nur ein Vorwand gewesen sein, Drogen auf dem Rückweg mitzubringen. Sie wissen doch: keine Leerfahrten! Oder, bei gutwilliger Interpretation, um den nächsten Hilfskonvoi zu finanzieren.«
»Ich verstehe. Im Irak gab es dann Streit um den Preis, da hat Frau Bergkamp eine Bombe geworfen und sich aus Ärger gleich selbst mit in die Luft gesprengt, ist logisch, vollkommen klar. Wie sonst soll es gewesen sein!«
Ich konnte das Geschniefe von Jablonske nicht weiter mit ansehen und holte ihm eine Rolle »Wisch-und-Weg« aus der Küche. Mir brachte ich eine Flasche Bier mit. Das gab den beiden Zeit, eine neue Theorie aus dem Hut zu zaubern.
»Drogen sind ja nicht das einzige, was auf dieser Strecke gerne transportiert wird. Zum Beispiel ist auch eine Ladung Sempex aus der Tschechei immer ein willkommenes Mitbringsel.«
Klar, macht man in der Medizin auch: Kommt man mit einer bestimmten Annahme nicht weiter, ordnet man Symptome und Laborergebnisse neu, versucht es mit einer anderen Diagnose. Die beiden stocherten ganz offensichtlich im Nebel, wobei sie jetzt der Wahrheit etwas näher kamen.
Zwar hatte niemand versucht, Celine diesen praktischen Sempex-Sprengstoff unterwegs anzudrehen, tatsächlich aber rund dreihundert Kilometer hinter Ankara vier Kisten »humanitäre Hilfe für unsere kurdischen Freunde von Ansar al-Islam«, säuberlich mit dem roten Halbmond bemalt und randvoll mit Handgranaten. Celine und Heiner hatten die Kisten sofort wieder abladen lassen.
»Haben Sie sonst noch etwas im Angebot? Biowaffen für Saddam Hussein aus unserem Kliniklabor? Pest- oder Anthraxerreger? Giftgas?«
Noch einmal versuchte es Jablonske auf die Tour gütiger Onkel, während er mein Bücherregal studierte. Was erwartete er dort? Erbauungsliteratur wie »Die Bombenbastlerin, ein Schnellkurs für Frau/Mann« oder »Wir bauen Mollis in der Kindergruppe«?
»Herr Dr. Hoffmann. Sicher ging es Ihrer Freundin in erster Linie um die humanitäre Hilfe. Was immer dann geschehen ist, es tut uns schrecklich leid. Wir wollen es nur aufklären.«
Waldeck versuchte zu unterstützen.
»Vielleicht sollten wir Sie daran erinnern, daß mit dem Antiterrorpaket auch die Kronzeugenregelung reaktiviert worden ist? Keine vollkommene Straffreiheit, das geht leider nicht, wir sind nicht in Amerika. Aber das Strafmaß am
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