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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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zwischen Beate und mir zur Zeit, sobald wir über Celine sprachen. Beide unsicher, was wir dem anderen zumuten konnten, oder uns selbst, beschränkten wir uns auf technische Fragen. Oder wechselten das Thema.

    »Was gab es auf der Konferenz?«

    »Das Übliche. Zu hohe Kosten. Zu hohe Behandlungskosten pro Patient, zu hohe Behandlungskosten pro Arzt, zu hohe Kosten überhaupt.«

    Ich konnte mir die Runde lebhaft vorstellen. Der Oberverwaltungsdirektor aller Vital-Kliniken, Herr Hirt, der sich »Vorsitzender der Geschäftsführung« nennt, ist ein Fan von Statistiken und deren grafischer Aufbereitung. Und natürlich ein König bei der Suche nach Einsparpotentialen.

    »Aber das ist leicht, Beate. Einfach mehr Ärzte einstellen, schon gehen die Behandlungskosten pro Arzt runter. Und als Nebeneffekt machen wir weniger Überstunden.«

    Beate lächelte nur schwach, während sie vorsichtig einen dicken Aktenordner aus dem kunstvoll geschichteten Stapel auf ihrem Schreibtisch hervorzog.

    »Im Moment konzentriert sich Hirt auf die Reha-Kliniken von Vital, wir sind etwas aus der Schußlinie. Aber das kann sich jederzeit ändern. Darüber hinaus ging es um ein neues Thema, das die Gesundheits- und Innenverwaltung beim Senat von Berlin gefunden hatte: Katastrophenschutz.« Beate deutete auf den Aktenordner. »Ist unsere Klinik überhaupt, und wenn ja, ausreichend gegen Anschläge gesichert? Könnten Patienten als Geiseln genommen werden? Wie leicht können gefährliche chemische oder infektiöse Materialien aus unserem Labor entwendet werden?«

    Die Sorge schien nicht ganz unberechtigt. Im Moment jedenfalls war unsere Klinik weniger streng überwacht als ein Mittelklassehotel, hier konnte jeder ein- und ausgehen, dem gerade der Sinn danach stand. Erst neulich hatte ein mit meiner Diagnose – »keine erkennbare körperliche Erkrankung« unzufriedener Patient auf der Station eine Stinkbombe geworfen. Irgendwie war der Tag abzusehen, wo auch diese Art von Leuten aufrüsten würde. Und ich wußte zwar nicht, ob man mit den Isotopen aus unserer nuklearmedizinischen Abteilung eine Atombombe basteln konnte, sah aber erhebliche Probleme, ließe zum Beispiel eine radikale Tierschutzorganisation die Bakterien und Viren aus den Brutschränken frei.

    Es war klar, daß Beate mir nicht zum Zeitvertreib von den Sorgen der Innenverwaltung erzählte, und ich überlegte schon, an welchen Assistenzarzt ich die Unterlagen weiterreichen würde, als sie noch einen zweiten Aktenordner aus dem Stapel fischte, was allerdings zu seinem Kollaps führte. Während wir uns gemeinsam um eine Wiederherstellung der vorbestehenden relativen Ordnung bemühten, berichtete Beate weiter.

    »Die Ängste unserer Stadtregierung gehen weiter: Sind die Krankenhäuser in Berlin überhaupt auf eine allgemeine Katastrophensituation vorbereitet? Haben wir genug Blutkonserven, Medikamente, Reservebetten? Klappt unser Alarmsystem? Können wir große Bereiche der Klinik isolieren? Dieser Ordner ist voll solcher Fragen.«

    Wie erwartet, schob sie mir beide Aktenordner entgegen.

    »Kannst du dich darum kümmern? Ich habe mal durchgeblättert, ist viel medizinischer Kram, den ich nicht verstehe. Natürlich, wenn du im Moment ...«

    »Kein Problem. Im Gegenteil. Ich bin dankbar für jede Ablenkung.«

    Und, wie gesagt, im Notfall konnte ich die Ordner immer noch an einen fleißigen jungen Kollegen weitergeben.

    »Ich danke dir. Die vom Senat haben uns sogar ihren neu ernannten Koordinator, mit dem wir zusammenarbeiten sollen, auf die Konferenz geschickt. So ein Fuzzi vom medizinischen Dienst der Krankenkassen, ein Dr. Zentis. Ein furchtbarer Schwätzer!«

    »Dr. Zentis?«

    »Ja, ich glaube, so heißt er. Steht auch irgendwo in den Akten. Der Kerl hat zu jedem und allem eine Meinung, präsentiert prompt Zahlen, die sich für mich frei erfunden anhören. Aber alle sonst hingen an seinen Lippen, als verkünde er das Evangelium. Du kennst den Typ.«

    Ich kannte nicht nur den Typ, ich kannte sogar den Prototypen, das fleischgewordene Baumuster aller Schaumschläger und Intriganten: Ich kannte den guten Dr. Zentis höchstpersönlich. Beate konnte das nicht wissen, sie war erst nach seiner Entlassung zu uns gekommen. Damals hatte Professor Kindel dem Assistenzarzt Zentis noch die Voraussetzungen zum Facharzt bescheinigt, obgleich er die nie erfüllt hatte, nur um ihn loszuwerden. Später hatte Zentis die Klinik mit Anzeigen wegen angeblicher Behandlungsfehler überzogen

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