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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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dunkler.
    Gerhard rüttelte über einen Schotterweg und hielt,
stieg langsam aus und sog die Atmosphäre mit einem langen Blick in sich auf. Es
ging ein wirklich frischer Wind, so einer, der augenblicklich durch alle
Klamotten kroch. Fröstelwetter, zumal das Haus da im Wald einem unwillkürlich
Schauer über den Rücken jagte. Es war von einer hohen Mauer umgeben, gekrönt
mit Stacheldraht. Kameras richteten ihre neugierigen Augen auf jeden
Ankömmling. Das Tor stand offen. Das Haus selbst war ein altes Gutshaus oder
besser ein großes Bauernhaus, das unter wild wucherndem Efeu zu ersticken
drohte. Es war ein typisches Einhaus, westseitig war der ehemalige Stalltrakt,
der vor sich hin bröselte. Einige wie zufällig platzierte Schuppen und
Nebengebäude wirkten, als hätte ein Riese Bauklötzchen auf den Boden geworfen.
Bei schönem Wetter im Sommer mochte das romantisch wirken, momentan hatte es
was von der »Rocky Horror Picture Show«, irgendjemand von der »Addams Family«
würde gleich auftauchen oder »der Hund von Baskerville«. Nebel war nun auch
aufgezogen.
    Und das Hundebellen klang schauerlich. Es kam von der
Ostseite des Hauses, wo sich Hundehäuser mit davorliegenden Zwingern
anschlossen; in Reih und Glied standen sie, das Ganze wirkte mehr wie eine
Ferienhaussiedlung denn wie ein Tierasyl. Die Hundehäuschen waren in weit
besserem Zustand als das Haus, und Gerhard rieselte es eiskalt den Rücken
hinunter. Er sah schnell weg und richtete den Blick wieder auf das Haupthaus.
Im gekiesten Hof standen ein Sanka, ein Notarztwagen und ein Polizeiauto.
Melanie lehnte am Wagen, weiß wie eine frisch gekalkte Wand. Felix
Steigenberger stand abseits, er hantierte mit einer Tempopackung, es war
augenscheinlich, dass er sich übergeben hatte. Melanie machte einen Schritt auf
ihn zu, sie wirkte wie ferngesteuert.
    »Ist gut, Melanie. Warum ist der Notarzt hier?«,
fragte Gerhard.
    »Die Frau dahinten ist komplett zusammengebrochen. Das
ist so, so …« Melanie begann wieder zu weinen.
    »Ist gut, Melanie«, sagte Gerhard nochmals und reichte
ihr einen Flachmann. »Kräftiger Schluck, ich nehm das auf meine Kappe. Geben
Sie Steigenberger auch einen.« Er fummelte wieder in der Jacke. »Pfefferminz,
kann er vielleicht auch brauchen.«
    Gerhard ging auf den Sanka zu, wo eine Frau lag, die
völlig apathisch wirkte. Eine Infusion tropfte, der Arzt sprang elastisch aus
dem Wagen.
    »Haben Sie die Schweinerei schon gesehen?«, fragte er.
    Gerhard schüttelte den Kopf.
    »Das ist widerlich, die einzige Bestie im Tierreich
ist der Mensch. Kennen Sie Nietzsche? Der hat mal gesagt: ›Ich fürchte, die
Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst
gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat.‹« Der Arzt zog
angewidert die Mundwinkel hoch.
    »Die Dame?«, fragte Gerhard.
    »Ist, glaub ich, die Zweite Vorsitzende des Ganzen«,
sagte der Arzt.
    »Ansprechbar?«
    »Keine Chance, wir mussten sie stark sedieren. Sie war
völlig hysterisch, hat hyperventiliert, dann ist ihr Kreislauf kollabiert. Wir
bringen sie nach Schongau. Ich denke, am Abend sollten Sie mit ihr reden
können.«
    »Danke«, sagte Gerhard und wandte sich nun doch den
Hundezwingern zu. Zögerlich ging er näher. Das Gebell wurde wieder lauter, ein
junger Mann war dabei, Hunde aus ihren Zwingern zu holen, sie anzuleinen. Wobei
»Zwinger« ein sehr tiefstapelnder Terminus war. Das waren Luxusherbergen. Jeder
der Hunde hatte eine Art Ferienhaus mit davorliegender Betonterrasse und einem
Wiesenstück. Gerhard sah den jungen Mann fragend an.
    Der junge Mann streckte Gerhard die Hand hin. »Moritz
Niggl. Ich will die einen …« Seine Stimme brach. »Sie sind total verstört, sie
müssen doch die anderen nicht so sehen.« Tränen traten in seine Augen.
    »Haben Sie sie entdeckt?«, fragte Gerhard.
    »Ja, ich trete jeden Morgen um acht meinen Dienst an,
heute war ich erst um zehn da. Ich hatte verschlafen. Wenn ich früher da
gewesen wäre, wer weiß …« Er starrte zu Boden, um seine Tränen zu verbergen.
»Normalerweise hören die Hunde schon mein Auto. Es ist ein Gebelle, eine
Freude. Heute Morgen war es totenstill.«
    »Was haben Sie dann getan?«
    »Die Frau Eisele angerufen und die Polizei.« Moritz
kämpfte immer noch mit den Tränen.
    »Frau Eisele?«
    »Die Zweite Vorsitzende, die Frau im Sanka. Sie war
keine echte Hilfe. Sie ist total zusammengeklappt, ich musste mich um sie kümmern.
Ich hab dann gleich noch den

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