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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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eine Fahrt konnte ja lang werden.
    Gleich zu Beginn war die Reise auch zu einer Werbetour
der DB geworden. Hatten sie sich doch
im Bistro ein Bierchen bestellt, das sie aber nicht sitzend im direkt
angrenzenden und völlig leeren Restaurant hatten trinken dürfen. Denn nur wer
im Restaurant zu Restaurantpreisen bestellt, hat damit auch ein Anrecht auf
einen Sitzplatz. Den Vorstoß eines fidelen Trachtlers, den Aufpreis zu zahlen,
fand die Dame mit dem sächsischen Zungenschlag gar nicht witzig. Und so wurden
sie dann des Bistros verwiesen.
    In Berlin hatte sie der Bus namens Bayern Express
aufgelesen und gleich mal in die Bayerische Vertretung gefahren. Berlin, ein
einziges Werbeplakat; speziell der orbital-exorbitant große Passat auf der
Charité überzeugte Jo zumindest davon, niemals einen VW zu kaufen. Den ersten Abend saßen sie in der rustikalen
Bierstube, wo unter der Decke die Wappen aller bayerischen Landkreise aufgemalt
waren. Es gab Buletten. Jawohl, die gab es auch an jedem weiteren Tag – mal mit
Püree mit Sägemehlgeschmack, mal mit öligen Bratkartoffeln und mal mit fadem
Kartoffelsalat. Wahrscheinlich war die Parole ausgegeben worden, dass das Essen
günstig zu sein hatte. Immerhin ließ sich der Staat den Trip ja sonst was
kosten. Und gut, dass der Trachtenverein den Speck dabeihatte!
    Sie waren am Wannsee gewesen, in just jenem Raum, wo
die Wannseekonferenz die »Judenfrage« erläutert hatte. Mittags Buletten mit
Leipziger Allerlei. Sie hatten die Gedenkstätte Berliner Mauer besucht, abends
Buletten. Anderntags war es in Stauffenbergs Arbeitszimmer gegangen und ins
Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen. Die Führung hatte ein ehemaliger
Häftling gemacht, die anschließenden Buletten wollten da sowieso niemand so
recht schmecken.
    Heute nun Vernissage. In der Weinstube Franken, wo ein
umlaufendes Fresko Tiere als Menschen mit all ihren Eitelkeiten karikierte. Und
ebendiese »tierische Location war ein Brückenschlag zum Werk der Künstlerin«,
hatte die Laudatorin gleich zu Anfang geschwafelt. Einige Bilder hingen hier,
andere auch in der Bierstube, die sie ja schon kannten. Diese Leanora Pia
Pfaffenbichler war ja so produktiv und galt bei Insidern als die progressivste
Tiermalerin nach Picasso. Die Transzendenz des Naturalismus, nun ja … Jo
erkannte in dem Bild weniger den »gepeinigten rumänischen Straßenhund, dessen
Blick das Wehklagen der Kreatur auf eine solch eindrückliche Weise zeigt, dass
Schauer des Entsetzens den Betrachter beuteln«. Jo erfasste eher Durst, es war
heiß und stickig hier drin. Und gebeutelt fühlte sie sich eher durch die
Unsäglichkeit der Veranstaltung.
    Sie ließ den Blick schweifen: Die Huglfinger Trachtler
waren auch nicht so richtige Kunstfreunde, wie es schien. Einer der jüngeren
popelte in der Nase. Er hatte gestern einem wildfremden Mädchen vor dem
Reichstag seine Hosenträger verkauft, für hundertfünfzig Euro; seine Oma, die
daran wahrscheinlich tausend Stunden gestickt hatte, würde ihn dafür lieben –
und enterben. Der Oberzitherer gab sich interessiert, aber immerhin hatte ihn
gestern eine Japanerin ungefähr tausendmal in Tracht fotografiert und »I
love you« geflötet. Die Antwort hatte »Ei ju a« gelautet. Doch, dieser
ganze Trip trug ein gewisses Amüsement in sich – bis auf das hier.
    Sie hatte bereits eine Lesung von bayerischen
Mundartgedichten im Franz-Sperr-Raum erduldet – begleitet von einer Panflöte.
Mit Panflöte assoziierte Jo eigentlich eher peruanische Jungs mit bunten
Ohrenklappenmützen mitten in deutschen Fußgängerzonen. Vor den Fronten der
immer gleichen Modekettengeschäfte, die es von Flensburg bis Garmisch gab,
schlimmer noch: in ganz Europa. »El Cóndor Pasa«! Aber das Ganze war eben
multikulti und politically correct, und da wäre ein Hackbrett einfach als zu
bayerisch erschienen. Schließlich präsentierte man sich als
Laptop-und-Lederhosen-Bundesland. Als Mundart-und-Mandolinen-Country.
    Gemessen an Pfaffenbichlers »transzendentem Hund« und
den anderen Schauerlichkeiten war die Lesung ein echtes Gedicht gewesen. Zudem
hatte Jo Hunger, es war später Nachmittag, die letzten Buletten lagen lange
zurück, das Mittagessen war ausgefallen. Kein normaler Mensch veranstaltete
eine Vernissage am Nachmittag!
    Frau Pfaffenbichlers Bilder, die sie überdies mit
»Lepipfa!« signierte, waren eine echte Zumutung, mehr noch die Dame, die die
Laudatio hielt. Nachdem sie zu jedem der fünfzig (!) Bilder etwas

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