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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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irgendwann an zu laufen und erreichte keuchend die große Kreuzung vor der Philharmonie. Sie nahm die stickige Luft wahr, ihre Lungen brannten. Die täglichen Warnungen im Radio fielen ihr ein: Vermeiden Sie körperliche Anstrengung im Freien, die Ozonwerte überschreiten Tag und Nacht sämtliche Grenzwerte.
    Der Frosch war noch immer da, obwohl sie sich alle Mühe gab, an andere Dinge zu denken. Trotz ihrer Jugend hatte sie damals begriffen, dass sie töten konnte. Sie alle hatten es begriffen, sich schweigend getrennt, sich nicht einmal mehr angesehen. Eine Weile waren sie sich aus dem Weg gegangen. Der Frosch wurde nie mehr erwähnt.
    Laura überquerte die Kreuzung. Außer einem einsamen Fahrzeug der Straßenreinigung war kein einziger Wagen zu sehen. Fahrverbot.
    Als wäre Herbst, verlor die mächtige alte Kastanie am Eingang des Parks ihre Blätter. Braune, dürre, zerknitterte Blätter, die unter Lauras Füßen raschelten. Sie nahm nicht den staubigen Fußweg, sondern ging über den Rasen, von dem nur ein flaches Gespinst aus gelblichen Stoppeln übrig geblieben war. Die Erde fühlte sich hart an wie Beton, zeigte Risse. Wann hatte es zum letzten Mal geregnet? Irgendwann im Juni, vor beinahe zwei Monaten.
    Ihr fiel auf, dass der Übergang von der Nacht zum Tag grau war. Die Nacht leuchtete dunkelblau, doch jetzt, da von Osten her eine diffuse Helligkeit aufstieg, verblassten die Blautöne, wurden einfach grau. Morgengrauen. Seltsames, doppeldeutiges Wort.
    Noch etwas hatte sie damals begriffen. Der Rausch von Macht hielt nicht an, er konnte in Depression umschlagen, in Scham, Schuld, Selbstekel. Es hätte sie interessiert, wie die anderen Kinder mit dieser kollektiven Tat fertig geworden waren. Ob die Mädchen anders damit umgingen als die Jungs. Ob sie heute noch manchmal daran dachten.
    Keinen von ihnen hatte Laura in späteren Jahren wiedergetroffen. Es waren ohnehin nur flüchtige Freundschaften gewesen, Urlaubsbekanntschaften. Gemeinsam mit ihren Eltern hatte sie damals Ferien auf einem Bauernhof in Tirol gemacht. Die anderen Kinder gehörten zu den umliegenden Gehöften oder machten ebenfalls Ferien. Aber keines der Kinder hatte gesagt: «Hört auf!»
    Sie auch nicht.
     
    Der Fluss war zu einem schmalen Bach geworden. Das Wasser schwarz, jedenfalls bei Nacht. Ralf, der Steinmetz, hockte im Kiesbett der Isar und hielt seine Füße ins Wasser. Vielleicht konnte er auf den kühlen Steinen noch eine Runde schlafen. Der Schreck dieser Nacht saß ihm in den Knochen. Zwar war ihm so etwas nicht zum ersten Mal passiert, doch diesmal war es unheimlich gewesen, als hätte ein Geist nach ihm gegriffen. Quatsch, sagte er sich. Gibt keine Geister. Es hatte sich allerdings so angefühlt. Wie das kalte Grauen hatte es sich angefühlt.
    Vielleicht sollte er umziehen. Vielleicht war seine neue Unterkunft doch nicht sicher. Seit er sich im Fußgängertunnel unterm Friedensengel niedergelassen hatte, ging alles so glatt. Angefangen hatte es mit dem Anhänger. Ein gebrauchter Auto-Anhänger, abschließbar. Er hatte dafür gearbeitet. Der Anhänger war immer sein Traum gewesen. In so einem Anhänger konnte man all seine Sachen unterbringen und auf dem Dach schlafen. Das war sicherer als auf dem Boden, und man konnte schnell umziehen, wenn die Bullen einen verjagten.
    Das Problem war nur, dass er immer mehr Sachen anhäufte, seit der Anhänger da war. Sie kamen einfach, die Sachen, und er steckte sie in den Anhänger. Das Ding wurde immer schwerer.
    Eine Küche hatte er sich auch eingebaut, spielte mit dem Gedanken, den Spaziergängern und Radfahrern Cappuccino zu verkaufen. War ja einfach: heißes Wasser, Plastikbecher und Tütenkaffee. Er hatte viele Geschäftsideen, hatte er immer schon gehabt. Immer wieder neue Ideen.
    Zurzeit nannte er sich Ralf, der Steinmetz, weil er Isarsteine polierte und bemalte. Es gab jede Menge Steine am Fluss, und die Geschäfte gingen nicht schlecht. Jeden Tag verkaufte er mindestens fünf Steine zu zwei Euro, meistens aber mehr. Das reichte locker fürs Essen. Er trank nicht, wie die meisten seiner Kollegen von der Straße. Das machte das Leben erheblich leichter, denn für Alkohol ging eine Menge Geld drauf. Nein, das war früher mal, das brauchte er nicht mehr.
    Vor ein paar Wochen war er noch Ralf, der Fahrradmechaniker, gewesen. Aber das hatte nicht richtig funktioniert, weil er sich mit Fahrrädern nicht besonders gut auskannte. Mit den Steinen klappte es auf Anhieb. Und es machte ihm

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