Hurra, die Lage wird ernst
Oliver sein. Oder ein
anderer Besucher? In jedem Fall war Vorsicht geboten. Durch kräftiges Bellen
machte ich dem Unbekannten gleich einmal klar, daß hier ein Wächter stand, den
es zu überwinden galt, wenn er Böses im Schilde führen sollte.
»Bist du jetzt still, denk doch an
die dicke Emmerich. Geh in dein Körbchen. Oliver ist ein Freund, ihn darfst du
einlassen.« Als Anjas Hand beruhigend mein gesträubtes Fell tätschelte, ließ
ich Oliver ungeschoren an mir vorbei. Ein bißchen schlaksig sah er aus, aber
das lag wohl daran, daß er so furchtbar groß war. Ich mußte schon ein gutes
Stück zurückgehen, um ihn in seiner ganzen Länge übersehen zu können. Sein
Hosengürtel saß ungefähr in Höhe des Lichtschalters, und seine Bürstenhaare
streiften haarscharf den Türrahmen.
»Ist ja wirklich ein prima Kerl«,
staunte er und hockte sich auf die Unterschenkel, um mich besser betrachten zu können.
Zwei lustige Augen sahen mich an. Selbstsicher und ohne Angst streckte er mir
ruhig seine Hand hin und ließ mir ausgiebig Zeit, sie zu beriechen. Das war
einer, der wußte, wie man mit Tieren umgeht. Sympathischer Mensch, wirklich, er
durfte mit mir rechnen. Das wußte ich, schon ehe er mir herzlich über den Kopf
strich. Dann wandte er sich an Anja:
»Habe leider nicht viel Zeit, sonst
geht mir mein Vogel durch die Lappen. Ich habe Glück, er sitzt gerade bei einem
Arzt hier ganz in der Nähe. Wird wohl noch ein Weilchen dauern, aber wir müssen
uns beeilen. Also, was kann ich für dich tun?«
»Mein lieber Oliver, ganz einfach:
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich meine, was ich zuerst herausfinden
soll.«
Oliver ließ sich auf Anjas Wink hin
in einen der beiden Sessel plumpsen, lehnte einen angebotenen Drink ab, nahm
eine Zigarette aus der ihm gereichten hübschen Dose und kam zur Sache:
»Du mußt zuerst einmal einen
Schlachtplan entwerfen. Du mußt dir überlegen, wen von den beiden Verdächtigen
du dir zuerst vornehmen willst. Diese Entscheidung ist zum Beispiel einfacher,
als du glaubst, denn ich habe in der Zwischenzeit herausgefunden, daß unser
Herr Konstrukteur, dieser Herr Diering, bereits im Ausland ist. Er hält sich
zur Zeit in Laigueglia an der italienischen Riviera auf. Irgend so ein kleines
Fischernest muß das sein.«
Anja fuchtelte ihm mit der
brennenden Zigarette vor dem Gesicht herum. Sie war begeistert.
»Das hast du schon herausgebracht,
wunderbar, da hab’ ich schon ein schönes Stück Arbeit gespart.«
»Weißt du, ich glaubte zuerst,
Debray ließe mich diese mysteriöse Angelegenheit aufklären. Ein paar Tage lang
hatte ich sogar fest damit gerechnet, wenn ich später dann auch einsehen mußte,
daß es nicht geht. Jedenfalls habe ich mich, bevor mir diese Einsicht kam, an
Dierings Schwester herangemacht, hübsches Mädchen übrigens, und wenn ich von
ihr auf den Bruder schließen sollte, wäre ihm diese Tat nie und nimmer
zuzutrauen. Jedenfalls hält er sich, wie seine Schwester mir sagte, in diesem
italienischen Ort auf.«
»Vielleicht macht er Urlaub?«
»Das glaube ich nicht, vielmehr
seine Schwester glaubt es nicht. Sie vermutet, daß er sich dort mit einem
Italiener zusammengetan hat, mit dem er schon lange befreundet ist, und daß die
beiden an irgendwelchen Autoplänen herumbasteln.«
»Na, das hört sich aber schon
verdächtig an.« Anja wiegte bedächtig ihren Kopf hin und her, wie eine der
wackligen Puppen, die es auf Jahrmärkten gibt. Oliver zuckte zweifelnd mit den
Schultern.
»Könnte sich immerhin herausstellen,
daß der gegen ihn geäußerte Verdacht begründet ist. Das ist aber eine Sache,
die du erst feststellen mußt. Jedenfalls würde ich dir raten, dir zuerst einmal
Frau Lucas vorzunehmen. Von ihr weiß ich zwar so gut wie nichts, aber die
Umstände allein, unter denen sie ihren Arbeitsplatz verlassen hat, sprechen
gegen sie und beweisen, daß bei ihr zumindest etwas faul ist.«
Anja hatte interessiert zugehört.
»Na gut, also stürze ich mich zuerst
auf Frau Lucas. Und was muß ich von ihr zuerst wissen?«
»Wo sie wohnt natürlich, was sie
treibt, welchen Umgang sie hat, wer zu ihr in die Wohnung kommt, ob verdächtige
Personen darunter sind und so weiter. Klar?«
»Danke, das genügt«, sagte Anja
siegessicher, aber Oliver machte absolut kein zuversichtliches Gesicht.
»Ich bin ja mal gespannt, was dabei
herauskommt. Ich will dir ja nicht den Mut nehmen, aber ich an deiner Stelle...
«
»Ja ja, du an meiner Stelle! Ich
kann mir schon
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