Hurra, die Lage wird ernst
einträchtig auf den Weg.
Es hatte alles viel besser geklappt,
als ich es mir in der vergangenen Nacht in meinen kühnsten Träumen gewünscht
hatte, trotzdem klopfte mein kleines Herz zum Zerspringen. Damit hatte ich nun
einmal nicht gerechnet. Ich war bereit gewesen, um sie zu kämpfen, und daß ich
das nun nicht brauchte, verwirrte mich sehr.
Die Sonne war noch nicht bis in die
hinteren Straßen, durch die wir jetzt flanierten, gedrungen. Es war noch kühl
zwischen den Steinen, und so konnten wir ruhig einen kleinen Schritt zulegen.
Je eher wir aus der von Menschen besiedelten Gegend herauskamen, um so besser
war es. Werin schon, dann wollte ich auch allein sein mit meiner Heißgeliebten.
Sie trottete folgsam wie ein Lämmchen neben mir her, streifte mich ab und zu
von der Seite mit einem liebevoll-traurigen Blick und schien ebenso zufrieden
mit ihrer Eroberung zu sein wie ich.
Plötzlich setzten vorüberrasende
Autos unserem Vorhaben ein unerwartetes Ende, allerdings nur für eine kurze
Zeit. Welcher Mann läßt sich wohl in einem so vielversprechenden Augenblick auf
seinem Weg aufhalten? Auch in mir tobte mein Blut, meine Liebe, mein Verlangen.
So ermunterte ich denn meine Angebetete, mit mir zusammen der Gefahr zu trotzen
und sie zu überwinden. O nein, sie war kein ängstliches Zicklein, sie blieb
hart an meiner Seite, als wir, ein kurzes Abflauen des Verkehrs ausnützend,
entschlossen hinüberstürmten.
Gleich auf der anderen Seite stiegen
die Wege steil an. Sie führten in luftige Höhen zu duftenden Cypressen und
leuchtenden Blumen. Dort hinauf sollte unser Weg führen, hier würde uns niemand
stören.
Noch nie zuvor hatte ich einen Berg
in einem solchen Tempo erklommen, und da Kleopatra wacker mitkraxelte,
verstärkte sich meine Hoffnung, daß auch sie sich nach seligen Minuten mit
einem netten Hundemann sehnte.
Kleopatra war ein heißblütiges
Geschöpf, da gab es nichts. Dieser Vormittag auf dem Berge, auf einsamen Wegen
zwischen grünen Sträuchern und unter einer südlichen Sonne wird mir ewig im
Gedächtnis bleiben. Beschreiben werde ich ihn nicht, das ginge zu weit. Es
bleibt mein süßes Geheimnis.
Zugegeben, der Abstieg dauerte etwas
länger. Mag sein, daß wir ein wenig erschöpft waren (vom anstrengenden
Aufstieg), mag auch sein, daß wir nur ungern der Tatsache unserer erneuten
Trennung ins Auge blicken mochten. Auf alle Fälle stand die Sonne schon hoch am
Himmel, als wir die Hauptstraße wieder erreichten. An die baumelnde Schnur
hatte ich mich schon fast gewöhnt.
Mittags sitzen die Menschen um
Tische herum und essen. Das war gut für uns, denn wer ißt, der fährt nicht mit
dem Auto, und wer nicht mit dem Auto fährt, der versperrt uns nicht die Straße.
So konnten wir uns diesmal erlauben, in aller Gemütsruhe über die Straße zu
trotten. Immer langsamer wurden unsere Schritte, denn wir waren Kleopatras
Kemenate schon so nahe, daß wir sie riechen konnten. Noch ein liebevoller
Blick, noch ein kurzes Nicken, ein kurzes Wedeln mit dem Schwanz, dann würde
alles vorbei sein — für heute jedenfalls. Und den Knochen hatten wir auch vor
lauter Erregung auf dem Berg vergessen.
Je
näher wir aber der Holztür kamen, um so deutlicher hörten wir Leute dahinter
reden, und mich traf fast der Schlag, denn ich bildete mir allen Ernstes ein,
Anjas Stimme zu erkennen. Anjas und die des schwarzgelockten Hinausschmeißers.
Mir wurde ganz mulmig in der Magengegend, denn so schön meine Erlebnisse in
luftiger Höhe auch waren, ich bin nun einmal ein Hund mit Gewissen, und mit
einem solchen belastet, fiel es mir sehr schwer, über verübtes Unrecht einfach
hinwegzugehen. Ich sah, wie sehr sich Kleopatra freute, ihren Herrn
wiederzusehen, vielleicht bildete sie sich noch ein, er könne ihr Glück
begreifen, es ermessen, wenn sie ihm davon erzählte.
In mir dagegen stritten sich Freude
und Schuldgefühl. Das eine hätte mich zu gerne hineinstürmen lassen, das andere
hielt mich beschämt zurück. Kleopatra aber machte gar keine langen Geschichten,
sie stieß mit ihrem Schnäuzchen die Holztür weit auf, spreizte die Beinchen in
stürmischem Lauf und kläffte und kläffte. Es war ihr eben nicht möglich, soviel
Glück für sich zu behalten, typisch Weibchen. Und wenn die Stimme dort drinnen
gar nicht Anjas Stimme war? Aber sofort wurde ich dieses vagen Zweifels
enthoben.
»Da ist sie ja!« rief Anja
hocherfreut von drinnen. Ich war steif vor Schreck, meine Beine hatten Wurzeln
geschlagen in
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