Hurra, die Lage wird ernst
Kleopatra
war jedes Wagnis wert.
Ich würde sie Wiedersehen. Mit
diesem festen Entschluß, mit dieser tröstlichen Gewißheit machte ich mich
schließlich wieder auf den Heimweg. Als Anja klitschnaß und vor sich hintropfend
aus dem Meer stieg, lag ich bereits wieder auf der sonnigen Terrasse, hatte
alle viere gen Himmel gereckt und sah träumend den kleinen, schneeweißen
Wölkchen nach, die hoch am Himmel vorüberzogen. Vielleicht wunderte sie sich,
daß ich sie nicht ganz so stürmisch begrüßte, wie sie es sonst von mir gewöhnt
war. Dabei war das gewiß kein böser Wille, ich liebte sie nach wie vor, der
Unterschied war nur, daß meine Zuneigung ihr von nun an nicht mehr
ausschließlich galt. Von jetzt an hatte sie sie mit Kleopatra zu teilen. Da ich
mich jedoch mitten im allerersten Liebesrausch befand, fiel wohl die Bemessung
etwas ungünstig für Anja aus.
Was sich um mich herum abspielte an
diesem Tag, nahm ich nur wie durch einen Schleier gesehen wahr. Nach einem
kurzen Mittagsschläfchen ging ich mit Anja wieder an den Strand und legte mich
ruhig neben sie in den Sand. Ich wollte mit meinen Gedanken allein sein. Ich
beteiligte mich an keinem Spielchen, auch wanderte ich nicht durch die Gassen,
ich träumte nur. Ich träumte von Kleopatra, davon, daß auch sie mich lieben
würde eines Tages, von einer wunderbaren gemeinsamen Zukunft und — na, wovon
man als Mann eben so träumt. Zwar hörte ich, daß Anja verschiedene Leute nach
Jürgen Diering fragte, den Eisverkäufer und die Gebäckfrau, die immer wieder
den Strand entlangkamen, um ihre Süßigkeiten zu verkaufen, aber ich achtete
nicht einmal auf die Antworten, die sie Anja gaben. Was interessierten mich in
einem solchen Augenblick die zu suchenden Pläne, was dieser Herr Diering? Was
brauchte ich noch lange zu suchen, ich hatte gefunden, wonach mein Herz
verlangte.
Nach einer gewissen Zeit war Anja
mein verändertes Wesen wohl auf gef allen, denn sie fragte kopfschüttelnd:
»Was ist denn mit dir los? Du wirst
mir doch nicht etwa krank werden?« Sie nahm mich auf den Schoß, sah mir tief in
die Augen, begutachtete meine Zunge, aber sie schüttelte nur erneut ihre
blonden Locken. Wie gerne hätte ich Anja ins Vertrauen gezogen, schon allein,
damit sie sich keine weiteren Sorgen machte, wie gerne hätte ich sie teilhaben
lassen an meinem Glück. Aber leider — es ging nun einmal nicht.
So tat sie denn auch das
Vernünftigste, was sie tun konnte, sie ließ mich in Ruhe und dachte sich wohl:
Der wird schon wieder zu sich kommen. Abends sprach sie noch einen ersten
Bericht aus Laigueglia für Herrn Debray ins Sprechkästchen und lobte diesen Ort
dabei über alle Maßen. Wie idyllisch das Örtchen sei, wie fein der Sand, wie
freundlich die Menschen und wie schön die Umgebung. Dabei hatte sie das
Allerschönste noch gar nicht gesehen. Anschließend versuchte sie, ihm
klarzumachen, daß es furchtbar schwierig sein würde, Herrn Diering ausfindig zu
machen. Bis jetzt habe sie noch niemanden gefunden, der ihn kenne. Natürlich
werde sie weiter am Ball bleiben, aber wie gesagt, es sei unheimlich
kompliziert, weil sie nicht einmal wisse, wie er aussehe, und ob er, Herr
Debray, ihr wirklich kein Foto beschaffen könne.
Danach zog sie sich aus, und es
dauerte nicht lange, da ließen mich ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge wissen,
daß sie schlief. Ich blieb noch lange wach, hörte dem nahen Rauschen des Meeres
zu und wartete so lange, bis sich Kleopatra bereitfand, mir in meine Träume zu
folgen.
Kaum
traf mich am nächsten Morgen der erste Sonnenstrahl, stand ich auch schon
wieder freudestrahlend vor Anjas Bett. Ich war wieder der alte. Ein
erquickender Schlaf und süße Nachtgedanken hatten meine grüblerische
Melancholie wieder in die alte Lebenslust und Fröhlichkeit verwandelt. Anja
freute sich darüber.
»Na, siehst du, so gefällst du Anja
wieder«, sagte sie, sprang mit einem Satz aus dem Bett und brachte mich erst
richtig in Schwung, indem sie sich den Ball aus meinem Korb fischte und mit mir
herumtollte. Das Frühstück dauerte mir viel zu lange, und als es schließlich so
aussah, als sei Anja fertig und ginge
jetzt gleich hinauf, um sich
umzuziehen, da eröffnete sie mir:
»Heute morgen gehen wir aber nicht
schwimmen, heute werden wir zwei einen dienstlichen Vormittag einlegen.« Was
diese Ankündigung bedeutete, konnte ich mir lebhaft vorstellen. Das bedeutete,
an die Leine genommen zu werden, mit Anja herumzuspazieren und die Leute
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