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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Mercedes haben Sie von mir persönlich als Geschenk erhalten, als wir den Vertrag über den Bau eines Plastikgroßwerkes in Rumänien miteinander abgeschlossen haben, das dann schon im Entstehen sein wird.«
    »Moment! Nicht so schnell! Wann haben wir zwei einen solchen Vertrag abgeschlossen, lieber Herr Formann?«
    »Na, soeben, Freund Majorescu! Ich prophezeie Ihnen eine glänzende Karriere.«
    »Es ist Ihnen doch klar, daß ich Sie jetzt anzeigen muß, nicht wahr? So leid es mir tut. Mit Ihnen ist es aus!«
    »Vollkommen klar, Freund Majorescu. Die Zeit eilt wirklich. Wenn Sie vielleicht sofort das Nötige veranlassen wollten. Und ich meine nicht nur die lange Liste mit den Adressen Ihrer lieben Angehörigen!«
    Freund Majorescu sah Jakob mit flackernden Augen etwa so lange an, wie man braucht, um bis neun zu zählen. Dann nahm er einen Telefonhörer auf, wählte und verlangte nach dem Ministerium für Grundstoffindustrie. Das Gespräch, das er führte, war kurz. Ein zweites Gespräch mit dem Ministerium für Transport und Verkehr war nicht länger. Danach sagte Majorescu zu Jakob: »Also, der Tankwagenzug wird schnellstens mit dem Schweröl gefüllt und fährt unverzüglich ab. Wann kommt Chruschtschow? Am siebten? Keine Sorge, da ist das Öl längst da! Sie haben reichlich Zeit in Rostow. Jetzt wissen Sie die Adressen meiner Verwandten. Und jetzt schließen wir einen Vertrag über den Bau eines Plastikwerks. Wir brauchen dringend eines, nebenbei.«
    »Die ganze Welt braucht dringend welche, lieber Freund.«
    »Das kann ich Ihnen versprechen: Sie werden einen hohen Orden der Sozialistischen Republik Rumänien bekommen!«
    »Na, Sie aber auch«, sagte Jakob freundlich und dachte: So ist es schön! Im Bonzenviertel eine Villa. In der Villengarage schon bald ein großer Mercedes. In dem großen Mercedes schon bald der liebe, hochdekorierte Genosse Mihail Majorescu, im Genossen Mihail Majorescu ein Herz, und im Herzen Liebe – für die Arbeiterklasse!
    »Also ganz ehrlich, ich bewundere Sie, Freund Formann. Sie sind schon ein toller Kerl!«
    »Überhaupt nicht, lieber Freund Majorescu. Jakob Formann ist seiner Zeit nur immer um zwei Schritte voraus.«

4
    »Ihr Täubchen«, sagte der dicke, glatzköpfige und leutselige Ministerpräsident der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, glühend vor Begeisterung, »also nu, ihr seht mich, wie soll ich sagen, gerührt seht ihr mich. Zu Tränen, jawohl. Das ist wirklich der phantastischste Betrieb, den ich je betreten habe, der da bei euch, ihr Täubchen, und wenn die Zeitungen heute schreiben, hier schlägt das Herz der Revolution, nu, dann ist das aber wirklich so – dank euch!« Er klatschte laut. Seine Zuhörerschaft, die sich in einer riesigen Werkhalle versammelt hatte, klatschte zurück. So machte man sich Komplimente. Es war in der Tat imponierend, dieses Plastikwerk von Rostow am Don, so in vollem Betrieb! (Seit knapp neun Stunden.) Das zischte und brodelte, daß es eine Lust war. Dank dem guten rumänischen Schweröl DX 330 lief alles wie geschmiert. Der Ausstoß an Plastikrohren für die Überlandleitungen konnte einem den Atem nehmen.
    Es waren viele hohe und höchste Funktionäre mit Chruschtschow gekommen. Sie saßen auf einer mit roten Fahnen geschmückten Tribüne. Ihnen gegenüber in der Werkhalle saßen an die fünfhundert Arbeiter, Techniker, Direktoren und Funktionäre, diese nicht ganz so hoch wie die auf der Tribüne vorn (aber was nicht ist, kann ja noch werden …). Viele saßen auf Maschinen. Auch die Halle war festlich geschmückt, rot natürlich. Unmittelbar vor der Tribüne saßen Jurij Blaschenko, ein paar Chefingenieure und Jakob Formann auf rot geschmückten Sesseln.
    Jurij sah immer wieder Jakob an. Er schien alles noch nicht fassen zu können. In den Ausdruck von Bewunderung mischte sich ein Ausdruck von Schmerz, glaubte Jakob festzustellen. Wieso Schmerz? überlegte er. Was hat der arme Jurij jetzt schon wieder? Vielleicht muß er daran denken, daß ich einmal in seinem Lager eingesperrt gewesen bin als Kriegsgefangener. Ein guter Kerl, dieser Jurij. Auch dieser Nikita ist ein guter Kerl. Er hat gesagt, er will mit Papst Johannes XXIII . zusammenkommen, um über alle Weltprobleme zu sprechen. Der Johannes sieht dem Nikita ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Beide kommen aus dem Volk. Beide sind schlau. Beide sind bestimmt nicht böse. Denn beide lachen oft und gern. Beide sind dick. Und Dicke sind niemals so gefährlich wie die Dünnen,

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