Hurra, wir leben noch
fort. Wie die lügt! dachte er empört. »Hier bin ich noch in ßwanzig Jahren die Schönste, und mein Jurij wird nie eine andere Frau anschauen, denn er liebt mich von Herzen« (Der muß es ihr aber besorgt haben, mein lieber Mann!) »und ich will ihm eine gute Frau ßein, und er wird mir ein guter Gatte sein« (Eine kleine Glatze ist schon da – wann wird sie größer werden?), »und ich will einfach nicht mehr weiter ßo rumtun wie im Westen. Ich will endlich einen Mann haben, der mir allein gehört« (Ja, bei vierzig Grad unter Null!), »und ich will nicht immer Wimpern aufkleben und Perücken mit mir rumschleppen und all das Sseug und bloß dein Aushängeschild ßein« (So eine Gemeinheit, und meine Chinesischen Schlittenfahrten waren ein Dreck, was?), »und ich wünsche dir natürlich alles Glück von der Welt, lieber Jakob, für alles, was du für mich getan hast …«
Also, das halte ich nicht aus! dachte Jakob. Bevor ich mein ganzes Selbstvertrauen verliere, segne ich die beiden lieber. »Okay, okay, BAMBI , ist ja schon gut. Ich kann dich verstehen. Ich wünsche euch beiden natürlich auch alles Glück, wo gibt, und daß ihr einen Haufen Kinder bekommt und daß …«
Es klopfte. Gleich danach trat Jurijs Haushälterin ein.
»Was ist los, Jekaterina?« fragte Jurij.
»Ich bitte um Entschuldigung für die Störung, aber da haben sie vom Kulturhaus angerufen und gesagt, ich soll Gospodin Formann vom Gospodin Arnusch sagen, daß dieser Präsident aus Afrika in Bonn ist, und ob er das vergessen hat …«
»Großer Gott!« Jakob fuhr auf. »Der Neger! Tatsächlich vergessen! Hast schon recht, BAMBI , diese Herumhetzerei hält keine Frau der Welt aus. Der Schwarze! Ich muß sofort nach Bonn!«
BAMBI erhob sich feierlich, küßte Jakob auf beide Wangen (wenn diese Küsserei nicht bald aufhört, gehe ich noch schraubenförmig aus dem Anzug! dachte er), schlug ein Kreuz (wahrhaftig, schlug ein Kreuz, BAMBI !) auf Jakobs Stirn und sagte ernst und feierlich: »S’bogom.«
Das haute den Jakob nun aber wirklich fast um.
So viel Russisch konnte BAMBI bereits? Tja, dann war es wohl wirklich die ganz große Liebe, dachte unser Freund. Er wußte, was ›S’bogom‹ heißt. Es heißt: »Geh mit Gott!«
Jakob schnappte nach Luft. Dann brachte er das einzige hervor, was ihm noch einfiel: »Servus!«
6
»Die Regierung hätte mir sofort das nötige Geld gegeben, Mister Formann«, sagte der Premierminister der Republik Karania in Zentralafrika zu Jakob. Er sprach ein vorzügliches Englisch. »Mister Arnusch hat jedoch einen Vorschlag gemacht, der mir vorteilhafter erscheint.«
Der fette Arnusch Franzl, der mit Jakob und dem Premierminister der Republik Karania am Nachmittag des 10. Mai 1961 im kostbar, um nicht zu sagen luxuriös, eingerichteten Wohnzimmer seines Bonner Domizils saß, nickte und nahm die Havanna-Zigarre aus dem Mund. »Ungemein viel vorteilhafter, Exzellenz, das können Sie mir wahrhaftig glauben! Ich habe mich in Ihre Lage versetzt. Das tue ich immer. Immer so tun, als wäre man der andere mit seinen Sorgen und Nöten. Sie sind eben unabhängig geworden. Es fehlt Ihnen einfach an allem. Wir Deutsche können uns da aus eigener leidvoller Erfahrung gut hineindenken. Uns haben andere geholfen. Es ist nur Christenpflicht, daß wir jetzt anderen – Ihnen zum Beispiel! – helfen. Wo es Stärkere gibt, stehe ich immer auf seiten der Schwächeren.«
»Mister Formann, ich beglückwünsche Sie zu diesem Mitarbeiter«, sagte Seine Exzellenz Ora N’Bomba.
»Danke, Exzellenz«, antwortete Jakob artig. »Ja, Mister Arnusch ist ein wunderbarer Mensch.« Er lächelte den Franzl an. Der Franzl lächelte zurück. Seit einem Jahr führte er die Finanzverwaltung aller Unternehmen Jakobs von Bonn aus, wo Jakob ihm dieses Haus gekauft und eingerichtet hatte. Das Haus lag unmittelbar beim Diplomatenviertel. Ohne den Arnusch Franzl wäre ich verloren, dachte Jakob, noch immer ein wenig erschüttert von dem Abschiedsgespräch mit BAMBI in Rostow am Don. Er fuhr sich seither sehr oft durch die Haare. Zu seiner Erleichterung fielen selten ein paar aus, und noch seltener ein paar graue. Ich bin doch noch immer in Hochform, dachte er, jetzt ist es doch erst richtig losgegangen! Natürlich, minus vierzig Grad – das ist eben ein anderer Menschenschlag. Die Exzellenz da, die könnte auch nicht bei vierzig minus. Aber vielleicht bei vierzig
plus?
Diese unverbildeten, unverbrauchten Naturvölker wie die Afrikaner oder
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