Hurra, wir leben noch
und du bist mir nicht todböse?« erkundigte sich BAMBI .
»Was für einen Sinn hätte es, wenn ich dir todböse wäre?« fragte Jakob.
»Jakob«, sagte BAMBI , bebend konfrontiert mit ihrem Schicksal, »du hättest mich überhaupt nie hierherbringen dürfen. Das war dein schlimmster Fehler. Ssiehst du das ein?«
»Ja«, sagte Jakob und dachte: Also, eine bin ich los. Hoffentlich wird es mit der anderen auch so glatt gehen. Ein bißchen schmerzt es ja schon, die liebe BAMBI zu verlieren. Das ist natürlich nur meine Eitelkeit. Dieser Jurij ist ein wirklich netter Kerl – aber als Mann ihn
mir
vorziehen? Na also, so was!
»Und dann hast du mich hier in Rostow ßo lange allein mit Jurij gelassen! Das war dein ßweitgrößter Fehler! Ssiehst du das auch ein?«
»Ich seh’ alles ein«, sagte Jakob.
»Du dauernd in der Weltgeschichte, und ich hier mit Jurij! Der hat ßich ßo um mich bemüht, Tag für Tag …«
»… und Nacht für Nacht«, sagte Jakob gedankenvoll und schrak auf. »Entschuldigt, das war taktlos von mir!«
»Aber gar nicht«, murmelte Jurij.
»Doch, das war es!« rief BAMBI lebhaft. »Du, du hast doch immer noch eine andere gehabt – widersprich nicht, war da zum Beispiel die Claudia, oder nicht? Na also! Und wenn du mich mal geküßt hast, dann habe ich immer überlegen müssen, woran du gerade denkst. An deine Fertighäuser oder deine Illustrierte oder deine Aktien oder dein Plastikßeug. Das hält eine Frau auf die Dauer nicht aus, Jakob!«
»Hm«, machte der verlegen. Jetzt auch noch mir die Schuld geben! Aber recht hat sie. Zwei Weiber mindestens habe ich immer gehabt, und, großer Gott, an was für Geschäfte ich wirklich gedacht habe, wenn ich BAMBI … geküßt habe. Nicht immer natürlich. Manchmal war ich auch ganz bei der Sache. Dieser Jurij, der scheint stets ganz bei der Sache gewesen zu sein.
»Und überhaupt der Westen«, sagte BAMBI . »Ich habe ihn kennengelernt, und er hängt mir ßum Hals raus. Hier ist wahrhaftig auch nicht alles Ssucker, aber wenn ein Mann eine Frau liebt, dann gibt es nur ßie für ihn. Du, du hast doch jedem schönen Hintern nachgeschaut, gib’s ßu!« Und erbarmungslos fuhr die schöne BAMBI fort: »Der Jüngste bist du auch nicht mehr … brauchß’ bloß an deine Haare ßu denken, wie dünn und grau die werden …!«
Jakob griff sich mechanisch ins Haar. Tatsächlich – es wurde schon schütter.
Schütter!
Aber, dachte Jakob, ich fühle mich doch noch hundertfünfzigprozentig! Ich bin doch in den allerbesten Jahren! Nein, nein, daran kann es nicht liegen. BAMBI hat schon recht: Meine Geschäfte … und so eine weite russische Seele wie Jurij habe ich eben nicht. Frauen fliegen halt auf Seele.
Jakob erschauerte. Eine gräßliche Erinnerung an ein gräßliches Gespräch mit dem Major der Roten Armee, Jelena Wanderowa, war ihm gekommen. Damals, als Jelena noch kein Major war, damals im Lager … in der sanften Kuhle … sie hatten es gerade getan, als Jelena, sich wohlig streckend, sagte: »Also wahrhaftig, Jakob, du kannst es mit dem Jurij aufnehmen! Und das ist ein Riesenkompliment, das ich dir da mache.«
»Wieso Riesenkompliment?«
»Du kannst es natürlich nicht wissen, aber wir Soldaten wissen es. Lange vor dem Krieg, da hatten sie den Jurij mal für eine Weile eingesperrt …«
»Eingesperrt? Weshalb denn?«
»Weil er in Nowosibirsk – da ist er ausgebildet worden, weißt du – eine Siebzigjährige vergewaltigt hat …«
»Na ja …«
»Warte! In der Nacht! Mitten auf der Straße! Und bei vierzig Grad unter Null! Also, ich wette, das könntest du auch!« hatte Jelena gesagt, und er war entzückt über das Kompliment gewesen. Jetzt, in der Erinnerung und so viele Jahre später, war er es überhaupt nicht mehr. Sondern sozusagen im Gegenteil.
Bei vierzig Grad minus? Da kann man bloß sagen: Erstaunlich, was die Truppe leistet! Und ich habe schon die ersten grauen Haare. Und die BAMBI die ganze Zeit hier bei Jurij gelassen. Frauen fliegen auf weite russische Seele? Ich Idiot! Jetzt weiß ich, worauf Frauen fliegen! Verflucht, aber ich bin doch noch gar nicht so alt. Allerdings, bei meinem Streß. Und bei vierzig Grad minus … nein, nein, wir sind halt doch bös degeneriert, wir im Westen. Und dann das gesunde Klima hier am Don. Das hält einen Mann ewig jung, ach ja, verflucht!
»Und ich hab auch genug von diesen ewigen Partys und dem ewigen Schönsein-Müssen im Westen, weißt du, Jakob«, fuhr BAMBI schamlos
Weitere Kostenlose Bücher