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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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machen. Nach kommunistischem Vorbild, inmitten einer kapitalistischen Zone. Hier sollten alle im Besitz der Produktionsmittel sein! Niemand sollte eigenwillig handeln dürfen! Gewinnausschüttung des Unternehmens: jedes halbe Jahr. Ein fünfköpfiger Vorstand, darin Professor Donner, Julia Martens und Jakob Formann; Verkaufs- und Verhandlungsbeauftragter mit Abnehmern: Jakob Formann. Alle Rechte für weitere Unternehmen, Filialen, Zweigstellen und dergleichen vorbehalten 1946 by Jakob Formann. Der Hochwürdige Herr Pfarrer (die ihm zugeteilten Hühner hatte er im Windschatten an der Rückseite des Kirchleins untergebracht) leitete die Abstimmung. Ergebnis: hundert Prozent Ja-Stimmen. (Noch besser als unter Hitler und Stalin!) Hochwürden, der eine besonders schöne Schrift besaß, nahm alles zu Protokoll.
    Und dieses Protokoll, ein ebenso denkwürdiges wie wertvolles Schriftstück, verwahrten sie zuletzt in einer eisernen Kassette, die der guten Frau Pröschl gehörte. Es war eine schwere Kassette, und man konnte sie nur mit zwei Schlüsseln öffnen.

15
    »Heinrich hat stets nur auf meinen Rat gehört und stets nur meinen Rat gesucht«, sagte Donner dieses Abends später vollen Mundes zu Jakob und Julia, bei denen er Unterschlupf gefunden hatte. (Die Wohnung war groß genug.) Der Hase hatte als Vorspeise dünne, wohlschmeckende Oblaten, bestrichen mit einem Saucenfleisch, dessen Rezept Mojshe Faynbergs Geheimnis war, serviert. »Gesegnete Mahlzeit, Herr Professor, ich bringe die Mazzes!«
    »Was für ein Heinrich?« fragte Jakob.
    »Heinrich Himmler«, antwortete Donner, während Jakob die Mazzes aus dem Munde fielen, »der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei!«
    »Inwiefern hat dieser Scheißhund – entschuldige, Hase! – auf Ihren Rat gehört?« lärmte Jakob. »Und auf was für einen Rat? Haben Sie dem Reichsheini vielleicht auch geraten, mit seinen verbrecherischen Ausrot …«
    Der Professor fiel ihm empört ins Wort.
    »Niemals! Wofür halten Sie mich? Mein Chefkonstrukteur bis 1933 – gut, ein Jude, aber sonst ein hochanständiger Mensch! – war einer meiner besten Freunde! Schlimm, grauenvoll, was da passiert ist … Könnte ich noch ein wenig von dieser vorzüglichen Speise haben, liebe gnädige Frau?«
    »Aber gerne«, sagte der Hase und legte nach. »Nicht zuviel, Herr Professor, nachher gibt es noch Schaschlik. Und meine Mutter war Russin.«
    »Ein wundervolles Volk, die Russen!« schwärmte der Professor, während er wie ein reißender Wolf über die neue Portion Mazzes herfiel. »Dieses Ertragenkönnen von Leiden … Diese Helden der Roten Armee …« Jakobs Schläfe begann zu pochen.
    »Auf welchem Gebiet
hat
Himmler also auf Sie gehört?«
    »Auf dem Gebiet der Hühnerzucht.« Donner hob die Brauen. »Ja, haben Sie denn nicht gewußt, daß der Reichsfüh … äh, daß dieser Kriegsverbrecher Hühner gezüchtet hat?«
    Der Bär und der Hase starrten Donner an wie vom Donner gerührt. »So ist es. Natürlich, das wissen nur wenige.« Der Professor nickte eifrig. »Heinrich wollte … er war doch Rassenfanatiker, nicht wahr … also er wollte mehr als Rassehühner. Er wollte das
Herrenrassehuhn
züchten. Gott, was haben wir herumexperimentiert auf seinem Hof in Waldtrudering …«
    »Wo?«
    »In Waldtrudering bei München.«
    »Himmelherrgott, da hat das Schwein Hühner gezüchtet?«
    »Er und seine Frau Marga. Ach ja, lang ist’s her. Dann ist die Marga weggezogen, oder er hat sie rausgeschmissen, ich weiß es nicht.«
    »Gibt’s ihn noch?«
    »Er hat sich doch umgebracht!«
    »So, und jetzt kommt das gute Schaschlik …«
    »Nicht den Himmler! Den Hof in Waldtrudering natürlich!«
    »Ach, riecht das herrlich! Sicherlich gibt’s den noch«, sagte Donner.
    »Warum?«
    »Weil ich dort unsere erste Filiale eröffnen werde«, antwortete Jakob.

16
    »Wissen Sie, wie ich Sie nenne, Jake?« fragte General Mark Clark.
    »Nein, Herr General«, sagte Jakob interessiert. »Wie denn?«
    »Ich nenne Sie den ›Mann, der immer rennt‹! Warum rennen Sie so, Jake?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete unser Freund verlegen. »Ich will gar nicht rennen. Es rennt sich mir sozusagen von selber!«
    Hier log Jakob Formann: Er wußte sehr wohl, warum er so rannte. (»Nun, deutsches Volk, gib mir die Zeit von vier Jahren und dann urteile und richte mich!«) Jakob hatte dem Gröfaz sieben Jahre gegeben!
Sieben Jahre!
Und die wollte er jetzt wiederhaben und mal feststellen, ob er den Krieg

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