Hurra, wir leben noch
schneiden und waschen zu lassen und ihm dann die Ehre zu geben, sie zu einem bescheidenen Imbiß einzuladen.
Der bescheidene Imbiß bestand aus acht Gängen und wurde in einem Lokal der Hauptstadt eingenommen, mit dem verglichen, ach, dachte Jakob verträumt, die ›Sheherazade‹ in Paris ein Dreck gewesen ist. Schwarze Herren, vollendete Kavaliere, ganz in Weiß, mit weißen Handschuhen, servierten. (Und zu Jakobs grenzenloser Beruhigung gab es persischen Kaviar die Hülle und die Fülle, jedoch keine Austern. Was angesichts der geographischen Lage Karanias und der Temperaturen dort ja eigentlich auch nicht zu erwarten gewesen war.)
»Ein wunderschönes Restaurant haben Sie hier, Exzellenz«, sagte Jakob. Gamba M’Gamba nickte verträumt.
»Einer Ihrer Landsleute.«
»Was, einer meiner Landsleute?«
»Hat es gebaut. Er hat noch vier andere solche Restaurants in Karania gebaut. Und jetzt hat er sie – genau wie Sie Ihre Fertighausfabriken – dem großen, ruhmreichen karanianischen Volk zum Geschenk gemacht.«
»Hut ab«, sagte Jakob. Also haben sie den auch erwischt, dachte er.
»Früher, unter dem verbrecherischen Regime des räudigen Hundes Ora N’Bomba«, erläuterte der Feldmarschall und Chef der Militärregierung, »haben in diesen Lokalen nur die Huren und Speichellecker des Schurken und seine Bonzen prassen dürfen. Jetzt, nachdem wir das Vaterland befreit haben, kann in unserer Demokratie jedermann aus dem Volk hier essen, soviel und so reichlich er will!«
»Entschuldigen Sie tausendmal, Exzellenz«, sagte Jakob. »Aber ist das nicht ein wenig unrealistisch?«
»Unrealistisch, wieso?« grollte Gamba M’Gamba.
»Na ja«, sagte Jakob freundlich, »ich könnt’ mir halt vorstellen, daß das Essen und Trinken hier herinnen ganz schön teuer ist und daß also so ein Wasserträger oder Ziegelschupfer oder Melonenverkäufer nicht genug Geld hat, in diesen schönen Lokalen zu essen, soviel und so reichlich er will.«
»Das ist eine vollkommen andere Sache«, sagte der Befreier des vorher so unterdrückten Volkes von Karania böse. »Schweigen Sie, weißes Schwein! Wissen Sie, was Sie sind? Ich habe es gleich gewußt! Ein Demagoge, das sind Sie!« (Was ist ein Demagoge, was hat, um Gottes willen, ein Demagoge mit Demokratie zu tun? grübelte Jakob verwirrt. Diese dämliche Edle hat mir aber auch gar nichts beigebracht.) »Sie wollen sich über Minderheiten lustig machen!«
»Das wollen wir auf keinen Fall!« beeilte sich Jaschke zu versichern.
»Und auf gar keinen Fall wollen wir uns über Mehrheiten lustig machen«, sagte Jakob eifrig.
»Bei uns«, erklärte der Feldmarschall, »sind jetzt alle Menschen gleich, verstanden?«
»Jawoll, Exzellenz, melde gehorsamst, wir haben verstanden«, antwortete Jakob zuvorkommend.
Nach dem bescheidenen Imbiß wollte es sich Seine Exzellenz nicht nehmen lassen, Jakob, Jaschke und alle Arbeiter der Fertighausfabriken zum Flughafen zu bringen und mit einer Maschine der KARANIAN AIRLINES bis Damaskus fliegen zu lassen, wo Jakobs Jet wartete. Unser Freund erlitt einen heftigen Schreck, als er aus dem Lokal hinaus in die glühende Sonne trat.
Vor dem Lokal stand ein großer Mercedes. Diesen Mercedes kannte Jakob. Den hatte er schon einmal vor der Villa des Arnusch Franzl zu Bonn am Rhein stehen sehen! Da hatte der Mercedes noch dem inzwischen erschossenen Premierminister Ora N’Bomba gehört. Der Chauffeur war ein Weißer in einer Phantasieuniform.
»Jessas, der Herr Stößlgasser!« rief Jakob, schlug die Hände zusammen und betrachtete ergriffen den stämmigen Bayern, der, die Mütze in der Hand, die Schlagtüren geöffnet hatte. »Das ist aber gelungen! Daß wir uns hier wiedersehen! Darf ich bekannt machen? Mein Mitarbeiter, Herr Jaschke – Herr Stößlgasser aus … aus …«
»Aus Ruhpolding, Herr Formann«, sagte der stämmige Bayer mit kehligen Urlauten und schüttelte Hände. Seine Exzellenz lächelte sanft.
»Daß Sie noch leben!« staunte Jakob.
»Warum soll ich denn nicht mehr leben, Herr Formann?«
»Ich meine nur … Entschuldigen Sie, das war taktlos … Aber weil Sie doch der Chauffeur von diesem … diesem …«
»Dieser Verrätersau Ora N’Bomba, meinen Herr Formann?«
»Ja, von dem sind Sie doch Chauffeur gewesen! Und ihn hat man als Feind des Volkes erschossen.«
»Vollkommen gerechterweise«, sagte der Bayer. »Das ist ein sehr böser Mensch gewesen.«
»Sehr böser Mensch gewesen«, echote Jakob. »Und … Sie
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