Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
dich. Ich habe dich vernachlässigt. Karl-Heinz dagegen, der wird immer für dich dasein …«
    »Du … du … du …«
    »Na!«
    »… du gibst mich also frei?«
    »Natürlich gebe ich dich frei. Ich wäre ja ein Verbrecher, wenn ich dich festhielte. Bei meinem Leben! Und dem Leben, das du an der Seite von Karl-Heinz führen kannst …« Und dem du die Chinesische Schlittenfahrt beibringen kannst, du ausgekochtes Stück, wahrscheinlich hast du sie ihm schon beigebracht, nein, wahrscheinlich noch nicht, denn so was hält das Bürschchen ja nicht aus, der täte nach einer Chinesischen ja sofort auf der Intensivstation landen! Aber versuch’s nur, versuch’s nur! Du wirst schon sehen …
    »Und du bist mir nicht böse?«
    »Warum sollte ich dir böse sein?« fragte er mit vor Edelmut bebender Stimme. »Wenn das Herz spricht, muß der Mund schweigen.« Das habe ich aus einem Buch von der Edlen. Dieser blöden Kuh.
    »Du bist so gut, so gut …« Natascha war aufgesprungen und bedeckte Jakobs Gesicht mit vielen feuchten Küssen.
    »Gar nicht gut. Nur vernünftig.«
    »Nein, gut! Was … was machst du da?«
    »Ich ziehe mich an, mein Kind.«
    »Ja, das sehe ich. Aber warum, Jake, Darling?«
    »Ich muß noch etwas ganz Dringendes erledigen.« Ins Badezimmer sollte ich eigentlich noch – ach was, zum Teufel!
    »Das ist dir jetzt eingefallen?«
    »Das ist mir jetzt eingefallen.«
    »Da siehst du aber, Darling, wie recht ich habe! Wenn du sogar aus dem Bett aufstehst wegen deiner Geschäfte und deine kleine Natascha allein läßt …«
    »Verflucht noch mal, warum komme ich nicht in diese Unterhose rein? Reg dich nicht auf, Natascha. Wir werden Freunde bleiben, für immer. Und werden noch richtig voneinander Abschied nehmen und später mit Karl-Heinz zusammentreffen, diesem wunderbaren Mann …«
    »Jake, du bist einmalig!«
    »Ach gar nicht. Ich bin meiner Zeit nur immer um zwei Schritte voraus. Herrgott, wo ist jetzt wieder mein zweiter Schuh hingeraten?«

63
    Das zweite Mal fuhr Jakob Formann mit dem Fahrrad vom DOM-HOTEL zum CWWDWW . Das war am 2. Oktober 1976. So lange hatte es gedauert, bis zwei Dutzend seiner Buchhalter sämtliche Bilanzen für Jakobs Betriebe in der ganzen Welt auf den neuesten Stand gebracht hatten und diese an die Banken verschickt worden waren. Eine Kopie – auf Wunsch – auch an Herrn von Herresheim.
    Es war ein schöner, sonniger Tag, noch sehr warm, und Jakob sah nicht mehr so feierlich angezogen aus, sondern vielmehr recht sportlich-salopp. Er hielt die Lenkstange mit einer Hand. In der anderen hielt er ein Schmalzbrot, das man ihm im DOM-HOTEL zubereitet hatte. Schmalzbrote waren inzwischen der letzte Schrei geworden. »Das Beste, was ich kenne«, hatte Marlene Dietrich einem Reporter gesagt. Man denke!
    Jakob war ganz ruhig, denn was nun kam, wußte er genau. Also wozu sollte er sich noch aufregen? Prima Schmalzbrot, dachte er, radelnd, genau die richtige Menge Grieben …
    Man wartete bereits auf ihn. Die Bankmenschen, allen voran der von Herresheim, sahen Jakob mit starren Gesichtern entgegen. Also haben sie die Bilanzen brav gelesen, dachte der befriedigt und lächelte sie sonnig an. Das Lächeln blieb unerwidert. Die Mienen verhärteten sich noch mehr. Vermutlich nehmen sie mir meine sportliche Kleidung übel, dachte Jakob und steuerte auf seinen Sessel vom letzten Mal zu. Danach geschah eine ganze Weile nichts.
    Dann sagte der von Herresheim: »Tja, Herr Formann, das sieht ja bös aus.« Er sagte es mit Genuß. Und auf englisch. Mr. Gregory war wieder mit von der Partie.
    Jakob nickte ihm freundlich zu.
    »Das sieht ja noch viel böser aus, als wir gedacht haben, Herr Formann!«
    »Mhm«, machte Jakob.
    »Sonst haben Sie nichts zu sagen?« Der von Herresheim sah ihn an mit einem Stahlblick made in Germany.
    »Ja, also wenn Sie mich so fragen, eigentlich nicht, Herr von Herresheim«, sagte Jakob liebenswürdig. Komisch, dachte er. Vor fast dreißig Jahren habe ich ihn gehabt. Dann habe ich ihn verloren. Und jetzt ist er plötzlich wieder da. Mein lieber stiller Leckt-mich-am-Arsch-Standpunkt! Er betrachtete die Bankmenschen einen nach dem andern. Vor jedem lagen stapelweise Papiere – Kopien seiner Bilanzen. Sie alle starrten ihn nun an – die Skala des Ausdrucks reichte von nacktem Grauen über absolute Fassungslosigkeit bis zu totaler Verachtung. Das fand Jakob besonders komisch.
    »Ihre Bilanzen weisen unfaßbar hohe Verluste aus!«
    »Mhm.«
    »Die Verluste

Weitere Kostenlose Bücher