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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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gewährten Kredite herauszugeben und in eine Auffang-GmbH der Banken einzubringen.«
    »Das ist wahrlich sehr großzügig von Ihnen, meine Herren!« Jakob wischte sich Tränen, die nicht existierten, aus den Augen. »Bitte, bedienen Sie sich! Ich danke Ihnen von ganzem Herzen!«
    Wieder Stille.
    »Na, was ist denn?« fragte Jakob schließlich. »Keine Angst, ich meine es so, wie ich es sage. Und ich bin nicht, wie Sie offenbar denken, verrückt geworden! Ich bin ganz normal!«
    »Nun gut«, sprach der von Herresheim, der kaum noch richtig sprechen konnte, »dann soll es also auf diese Weise geschehen. Die Banken werden Ihren gesamten Besitz übernehmen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Immerhin, eine kleine Wiederbelebung der Wirtschaft – gerade auf dem Plastiksektor, aber auch ganz allgemein – ist schon zu spüren …«
    »Eben«, sagte Jakob.
    »Was soll denn das heißen?«
    »Nichts, nichts. Verzeihen Sie. Ah ja, richtig, und bitte nicht vergessen: Ich bin der allein Schuldige, der allein Haftbare! Weil ich es in meiner grenzenlosen Verantwortungslosigkeit verschmäht habe, meinen Unternehmen die entsprechend günstigen Rechts- oder Gesellschaftsformen zu geben, durch die ich jetzt nur zu einem Teil oder vielleicht überhaupt nicht haftbar wäre. Ich bin aber haftbar, ich allein! Und es ist nur gerecht, daß man mir alles wegnimmt. Gerade wo sich die Wirtschaft jetzt wieder erholt. Ich schlage vor, daß jetzt, da ja für diese Riesen-Konkursmasse so etwas wie ein Verwalter eingesetzt werden muß, der alles zum Heile der Banken tut und der die Geschicke meiner Unternehmen weiter in hoffentlich für die Banken segensreiche Bahnen lenkt, daß jetzt Sie, Herr von Herresheim, der Mann sind, der eingesetzt wird!«
    »Herr Formann, wenn Sie frech werden …«
    »Ich werde nicht frech! Ich meine es so, wie ich es sage! Wer wäre besser geeignet für diesen Posten als Sie?«
    Der von Herresheim sah Jakob mit flackernden Augen an.
    Einer der Banker sagte: »Da hat Formann recht, Herr von Herresheim. Sie sind der Mann, an den auch wir alle gedacht haben.«
    »Sehen Sie?« sagte Jakob.
    Der von Herresheim mußte sich setzen. Und ein Glas Wasser trinken. Er brauchte eine Erholungspause.
    Nachdem er seiner Stimme wieder mächtig war, begann er zu verlesen, was alles Jakob nun von den Banken abgenommen werden sollte.
    Jakob hörte aufmerksam zu und erlaubte sich zuletzt, den von Herresheim auf etwas aufmerksam zu machen: »Bitte vielmals um Entschuldigung, aber es muß doch alles seine Ordnung haben, nicht wahr? Herr von Herresheim. Sie haben meine Strumpfhosenfabriken vergessen. Die gehören jetzt ja auch nicht mehr mir.«
    Der von Herresheim konnte nur stumm nicken.
    Zuletzt mußte Jakob zahlreiche Unterschriften leisten, dann war er sein Weltreich los. Demütig hob er den Kopf ein wenig.
    »Einen letzten Wunsch hätte ich noch …«
    »Welchen?« ächzte der von Herresheim.
    »Ich bin mit einem Fahrrad hergekommen. Ist es sehr unverschämt, wenn ich bitte, dieses Fahrrad behalten zu dürfen?«
    »Sie dürfen es behalten«, sagte der von Herresheim, fast unhörbar. Er zitterte am ganzen Körper.
    Nach den Unterschriften ging alles in ein paar Minuten zu Ende. Der von Herresheim fragte Jakob, ob er noch ein Schlußwort sprechen wollte.
    »Ja, bitte.«
    »Dann sprechen Sie es, Herr Formann!«
    Und Jakob sprach es. Er sagte, nachdem er auf den von Herresheim zugegangen war und ihm nun markig die Hand schüttelte: »Ich möchte mich noch herzlich bei Ihnen bedanken, Herr Wehrwirtsch … entschuldigen Sie, Herr von Herresheim wollte ich natürlich sagen. Wirklich, von ganzem Herzen!«
    »Wofür?« hauchte der von Herresheim.
    »Dafür«, sagte Jakob, »daß Sie mir diese ganze miese Scheiße abgenommen haben. Jetzt können Sie sich damit herumschlagen, und ich bin endlich wieder ein glücklicher, freier Mensch ohne Sorgen!«

64
    ›Ich fühl’ mich nicht zu Hause …‹
    Es ist wirklich furchtbar, wie so ein Satz einem im Gehirn herumkriechen kann wie ein Wurm im Apfel und man andauernd an diesen Satz denken muß. Grauenhaft ist das!
    ›Ich fühl’ mich nicht zu Hause …‹ – so lautete ein Satz aus einem Lied auf einer Schallplatte, die Mojshe Faynberg dem Jakob vor einiger Zeit geschenkt hatte. ›Nichtarische Arien‹ hieß diese Platte, und die Lieder auf ihr, die Musik und die Texte, stammten – natürlich! – von einem Wiener namens Georg Kreisler.
    Früher, vor vielen, vielen Jahren,

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