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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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denn mit dem Stanke, Wenzel?«
    »Der war in meiner Kompanie, ein Studienrat, der hat’s mit dem Leibniz gehabt und uns immer so Sprüche aufgesagt, besonders wenn ein russischer Angriff gerade vor der Tür stand.«
    »Was hat er euch denn für Sprüche aufgesagt?«
    »Na, von Leibniz«, sagte Wenzel. »Weißt du nicht mal, wer Leibniz war?«
    »Der die Kekse erfunden hat?«
    Wenzel lachte auf. »Nicht ganz, Jakob. Ich meine den berühmten deutschen Philosophen. Den hat der Stanke immer zitiert, und sein Lieblingszitat hat geheißen: ›Unsere Welt ist die beste aller möglichen Welten‹.«
    »Ja«, sagte Jakob sinnend, »so was gibt’s häufiger, als man denkt, Wenzel. Ich erinnere mich an ein Arschloch im Gefangenenlager, zu dem sind viele hingegangen, weil es geheißen hat, daß er Trost spenden und alles erklären kann. Ich bin natürlich nie hingegangen, aber die Kameraden haben es mir erzählt. Sie haben ihn gebeten, ihnen zu erklären, warum das Elend und das Böse diese Welt so überschwemmen und wir so in der Scheiße sitzen. Und da hat dieser Kerl geantwortet, daß in unserer Welt alles seine Ordnung hat und gesetzmäßig ist und zum besten bestellt. Aber er hat keinen großen Erfolg gehabt, denn die Krüppel und die mit Hungerödemen und die, die der Krieg im Kopf ganz ruiniert hat, und die mit Skorbut, denen schon alle Zähne ausgefallen sind, haben ihm nicht geglaubt.«

37
    »Jake! Mein Gott, Jake, wie ich mich freue, dich wiederzusehen!« Mit ausgestreckten Armen kam der Chef der Kulturabteilung der US Army Europe, Generalmajor Peter Milhouse Hobson, quer durch sein riesiges Büro auf Jakob Formann zu. Bevor Jakob es verhindern konnte, hatte ihn Hobson bereits an die Brust gedrückt und auf beide Wangen geküßt. Mit der neuen Uniform und den neuen Rangabzeichen sieht er noch vertrottelter aus, als er in Hörsching auf dem Fliegerhorst ausgesehen hat, dachte Jakob Formann selig, und er schlug Hobson krachend auf die Schulter.
    »Ich freue mich auch, Peter«, sagte Jakob. Im nächsten Moment durchfuhr ihn eisiger Schrecken: Er sah, außer Wänden, die mit Theaterspielplänen beklebt waren, an einer Wand ein Bücherregal. In dem Regal standen dick, breit und in herrlichstes Leder gebunden, Bücher. Jakob sah genauer hin. Gesammelte Werke. Goldprägung. Shakespeare, Byron, Dickens …
    Jakobs Blick umflorte sich, er konnte nichts mehr erkennen. Entsetzlich, dachte er bebend, der Chef der Kulturabteilung, dieser liebe Trottel, liest.
Kann
lesen! Ich bin verloren. Was ich vorhabe, funktioniert nie. Achgottachgottachgott …
    »Setz dich, Jake, setz dich doch. Zigarette? Zigarre? Whiskey?«
    »Ziga-garre und eine Co-coke, wenn’s recht ist, Peter.« Ich werde verrückt!
Goethe!
Ein ganzes Bord voll. Alles verloren …
    »Na, aber ich genehmige mir einen kleinen. Die Wiedersehensfreude, Jake, die Wiedersehensfreude!«
    »Ja-ha …«
    Hobson zog drei Bände Shakespeare aus dem Regal. Jakob stand das Herz still. Will der mir jetzt ›Romeo und Julia‹ vorlesen? dachte er verzweifelt. Der Generalmajor stellte die drei Bände Shakespeare auf ein Bord. Jakob mußte die Augen schließen vor Erleichterung. Das waren ja gar keine Bücher! Das waren Attrappen! Die drei Bände Shakespeare verdeckten zwei Flaschen VAT 69. Coca-Cola gab es im Byron. Und hinter Goethe war ein veritabler niedriger Eisschrank versteckt! Der Generalmajor mixte die Drinks. Er strahlte. »Prima, wie?«
    »Pri-pri-prima, Peter.«
    »Geschenk vom Hauptquartier, als ich herkam. Aufmerksam, was?«
    »Se-sehr aufmerksam. Gib mir ruhig auch einen Schuß Shakespeare in die Coke, Peter!«
    »Here you are … Was machst du in Heidelberg, Jake?« lärmte Hobson.
    »Wie bist du hergekommen?«
    »Ach, das war ganz einfach, Peter. Danke sehr, ich schneide sie mir selber ab. Zuerst habe ich einen Güterwagenplatz erobert und bin nach Nürnberg gefahren. Kein Eis, bitte. Von Nürnberg dann in einem anderen Güterwagen bis Würzburg. Dort haben sie mich vier Tage lang eingesperrt …«
    »Warum, um Himmels willen, Jake?«
    »Großrazzia auf entsprungene SS -Männer.«
    »Aber du bist doch nie SS -Mann gewesen!«
    »Du weißt das und ich weiß es, Peter, aber mach das mal diesen Leuten klar!«
    »Diese Idioten! Du hast doch amerikanische Papiere von höchster Stelle! General Clark, General Clay! Ja, da staunst du, daß ich das weiß, was? Ich verfolge deine Karriere aus der Ferne! Hahaha!«
    »Hahaha! Die MP s haben gesagt, so mies gefälschte

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