Hurra, wir leben noch
Überhühner – deutsche Übermenschen!«
»Verstehe …«
»Und nun stell dir vor: Der Hof ist gerammelt voll mit Flüchtlingen, die natürlich in kürzester Zeit alles demolieren werden.«
»Augenblicklich gebe ich Befehl, daß dieser Hof zu räumen ist!«
»Aber das wäre unmenschlich, Peter.«
»Wieso, Jake?«
»Es sind nur Mädchen und Kinder und Frauen und Großmütter da, kein einziger Mann! Keine Kohlen! Die Kälte! Kaum etwas zu essen! Nein, nein«, sagte Jakob, die Beine von sich streckend und wieder an der Zigarre ziehend, »so geht das nicht, Peter!
So
nicht! Wir sind ja schließlich keine Faschisten, nicht wahr? Dieses Quartier des Satans muß für künftige Generationen erhalten bleiben – zur Mahnung und Belehrung. Eine Unterbringung von Menschen, und noch dazu von so vielen, wäre das Ende. Eine Unterbringung von
Hühnern
– unter meiner beständigen Aufsicht, versteht sich – hingegen bedeutete die Gewißheit, daß alles erhalten und nichts beschädigt wird. Im Gegenteil, dieser historisch wichtige Bau wird sorgsam konserviert.«
»Ja, aber du sagst doch selber, daß man Frauen und Kinder nicht rausschmeißen kann, ohne so barbarisch zu handeln, wie die Nazis gehandelt haben.«
»Sage ich ja, Peter.« Zug aus der Zigarre.
»Was soll ich aber dann um Himmels willen unternehmen?«
Jakob beugte sich vor, streifte die Aschenkrone von seiner Zigarre und erläuterte dem Generalmajor Peter Milhouse Hobson, was dieser unternehmen sollte.
38
Am 14. Januar 1947, er kam traurig und kalt, fuhr eine große olivfarbene Limousine des Hauptquartiers der US -Streitkräfte in Heidelberg in den Hof des Gutes NIBELUNGENTREUE am Tegernsee ein. Der Limousine entstiegen ein Generalmajor und zwei magere Zivilisten, von denen der eine unter einem krachneuen Mantel schreiend bunte PX -Kleidung trug, der andere, kleinere, unter einem ebenfalls krachneuen Mantel einen alten Anzug, der an seinem Körper schlotterte.
Ein Weapons-Carrier war der Limousine gefolgt und stoppte nun gleichfalls. Sechs amerikanische MP s sprangen in den Schnee. Derartiges Treiben weckte die Neugier der Herren, die in dem großen, protzigen Hauptgebäude wohnten. Sie sahen durch die Fenster des Erdgeschosses, und noch ehe Jakob an der Haustür hätte klingeln können, wurde diese schon von einem blonden Jüngling aufgerissen, der Haltung annahm, während er, an Jakob gewandt, sagte: »Guten Tag, meine Herren, Sie wünschen?«
»Wir möchten den Hausherrn sprechen«, sagte Jakob freundlich. Hinter dem ersten blonden Jüngling waren zwei weitere aufgetaucht, gleichfalls blond, bildschön und stramm.
»Selbstverständlich«, antwortete der Knabe im lockigen Haar bei der Tür, immer noch in tadellos militärischer Haltung. »Wen darf ich Herrn von Herresheim melden?«
»Sie können … Das machen wir schon selber«, sagte Jakob, schob den Jüngling beiseite und schritt, gefolgt von seinen Freunden, ins Haus.
»Oh«, jammerte der Knabe, »jetzt haben Sie mir aber weh getan! Warum sind Sie so böse zu mir?« Dann lachte er schelmisch und rief seinen beiden seidenweichen Freunden zu: »Nehmt euch in acht, das ist ein ganz Wilder!«
Die beiden Knaben kicherten, als Jakob an ihnen vorüberschritt. Der aber dachte: Aha, das sind also wohl die Nibelungen.
Aus einer sehr großen holzgetäfelten Halle trat ein Hüne von Mann, sehr gut gekleidet, sehr gut genährt, mit unmutig gehobenen Augenbrauen.
»What’s going on here?« erkundigte er sich in akzentfreiem Englisch.
»Herr von Herresheim, wenn ich nicht irre«, sagte Jakob. Wenzel hatte sich, während Jakob in Heidelberg war, informiert.
»Der bin ich. Und Sie?«
»Jakob Formann.«
»Nie gehört.«
»Jetzt wissen Sie’s.«
»Wenn Sie mir hier frech kommen, Sie Lümmel … good afternoon, Major General, Sir … dann können Sie was erleben!« Jakob und die anderen sahen in der großen Halle zahlreiche weitere vollgefressene und gutgekleidete Herren sowie einen vierten blonden Jüngling, der strammstand. Von den vollgefressenen Herren waren die meisten betrunken, drei schliefen auf schönen Diwans.
Die Unterhaltung lief englisch weiter.
»Kann ich
was
erleben?« erkundigte sich Jakob.
»Das werden Sie schon sehen! Bitte, setzen Sie sich, Major General, setzen Sie sich doch, um Himmels willen!« Hobson blieb stehen. »Was ist denn los hier?« staunte Herr von Herresheim. »Ist etwas geschehen? Das müßte ich doch wissen! Der Kommandeur des Amerikanischen Hauptquartiers
Weitere Kostenlose Bücher