Hush Hotel
den beiden. Wie ätzend. “Und warum nimmt dich April dann nicht mit nach Hause? Dürfen ihre Eltern nicht wissen, dass sie einen Lover hat?”
Es dauerte lange, bis er ihr Antwort gab. Schließlich räusperte er sich. “Ich bin nicht Aprils Lover. Und wenn du ihr verrätst, dass ich dir das gesagt habe, gibt es echt einen Tritt in den Hintern.”
Wie bitte?
Das war ohne Worte. Sie war völlig sprachlos. April hatte nie durchblicken lassen, dass sie nicht mit Evan ins Bett ging. Ehrlich gesagt, hatte sie genau das Gegenteil durchblicken lassen.
“Das verstehe ich nicht. Du übernachtest doch bei ihr …”
“Auf der Couch.”
Unfassbar! “Nicht in ihrem Bett?”
“Nein.”
“Nie?”
“Nie.”
“Oha.” Shandi wusste nichts zu sagen. “Und warum? Ich meine, du hast es doch bestimmt versucht?” Sie dachte kurz nach. “Und du willst doch auch, oder nicht? Oder sind wir hier wieder beim Thema Doppelmoral?”
“Müssen wir jetzt darüber reden? Ich muss in vier Stunden an der Hochschule sein.”
“Aber ich muss erst noch wissen, wie ihr Männer tickt.”
“Warum?” Er drehte den Kopf. “Willst du dir etwa den Banana-Man vornehmen?”
Sie schubste ihn gegen das Knie. “Kannst du mal aufhören, ihn so zu nennen?”
“Wie heißt er denn?”
“Quentin.”
“Und du willst mit ihm ins Bett.”
“Ich weiß nicht.” Natürlich wollte sie, aber sie scheute sich vor dem Etikett, das die männliche Doppelmoral ihr deshalb verleihen würde. “Ich finde ihn spannend. Das ist alles.”
“Alles klar”, prustete Evan. “Du bist also nicht scharf auf ihn.”
Ja, na gut. Mussten Liebe, Sex und Lust immer so kompliziert sein? Konnte man das nicht einfacher haben? Würde Quentin sie automatisch für eine Schlampe halten, nur weil sie ihm zeigte, dass sie ihn attraktiv fand?
“Na gut. Ich geb's zu. Offensichtlich bin ich eine geile Schlampe.”
“Schlampen sind super.”
Sie stöhnte frustriert, dann legte sie sich neben Evan. “Wie schön, dass ich die Schlampe bin und nicht April.”
“Shandi, ich schlafe gleich ein.”
“Also noch mal, dieser Typ aus dem Hotel, Quentin. Ich sollte also besser nicht mit ihm ins Bett gehen?”
“Kommt drauf an.”
“Worauf?”
“Ob dich mehr an ihm interessiert als nur seine Banane.”
Quentin Marks stand in seiner Suite im 16. Stockwerk und sah aus dem Fenster. Um neun Uhr hatte er ein Meeting. Er sollte ins Bett gehen. Er musste schlafen.
Aber wenn er im Bett lag, musste er an Sex denken. An Sex mit Shandi Fossey.
Noch nie hatte er eine Frau mit solchen Beinen gesehen wie die Barkeeperin vom
Erotique
. Und das hieß etwas, denn er hatte in seinem Leben viele Beine gesehen.
Man ist nicht Musikvideoproduzent und Grammy-Gewinner, ohne dass man von Frauen – und übrigens auch etlichen Männern – regelrecht verfolgt wird. Von Menschen, die mit allen Mitteln versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, um ins Business zu kommen. Die ihn benutzen wollen. Die alles dafür tun, alles dafür geben würden, ihm sogar Sex vom Feinsten versprachen, wenn er sich nur ihr Demoband anhören oder sie jemandem vorstellen oder ihnen das Geheimnis verraten würde, wie man den Durchbruch schaffte, so wie er. Und wenn er das nicht tat, galt er als Arschloch.
Gut, dann war er eben ein Arschloch. Aber er ließ sich eben nicht kompromittieren, dachte er, während er hinüber zum Balkon ging, von dem man einen Blick auf die Madison Avenue hatte. Er öffnete die Balkontür. Die Nachtluft war schwül, die Lichter gedämpft, und auch der Straßenlärm hielt sich in Grenzen. So konnte er ungestört seinen Gedanken nachhängen.
Er wusste nicht so recht, was er davon zu halten hatte, dass er in letzter Zeit fast nur noch daran dachte, nach Austin zurückzukehren. Aber erst musste er seine Geschäfte hier regeln und die nötigen Verträge abschließen, bevor er zurückfahren konnte. Er konnte noch nicht nach Hause.
Nach Hause.
Er seufzte und trank den letzten Schluck Brandy, den der Zimmerservice als kleine Aufmerksamkeit des Hauses gebracht hatte. Quentin musste zugeben, dass an den Gerüchten etwas dran war. Auch wenn er ursprünglich woanders hatte absteigen wollen: Das Hush war
das
angesagte Hotel.
Er hatte einen Tagungsraum des Hotels für zwei Meetings am nächsten Tag gemietet – nein, es war ja schon heute – und später in der Woche noch einmal. Bisher hatte es für ihn noch nie einen Grund gegeben, sich so oft mit den Geldgebern der Branche zu
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