Hybrid
Villiers.«
»Was gibt es so Dringendes, dass es nicht die Kanzlei übernehmen könnte? Sie ist für alle organisatorischen Fragen zuständig, wie Sie wissen. Und alles Weitere bespreche ich nur mit Dr. Villiers persönlich wie in der Vergangenheit auch.«
»Das ist mir vollkommen klar, Herr Bürgermeister. In diese Gespräche mische ich mich nicht ein. Hier geht es jedoch um einige Vorfälle, die in mein Aufgabengebiet fallen. Und von Ihrer Seite aus müsste der Innensenator eingebunden werden. Daher wende ich mich an Sie, damit Sie im Boot sind.«
Der Bürgermeister verzog den Mund. Als er sich vor Jahren auf die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Arzt und Finanzmagnaten eingelassen hatte, war ihm alles so einfach und elegant erschienen. Aber nun drohten ihn die Geister der Vergangenheit einzuholen. Während er Villiers sehr schätzte, machte ihn Gironde nervös. Etwas allzu Glattes umgab den Mann. Unter seinem oberflächlichen Charme lauerte eine zielgerichtete Skrupellosigkeit. Wenn Gironde etwas vom Innensenator verlangte, dann war es keine Kleinigkeit. Und vermutlich alles andere als legal.
»Also was gibt es?«
»Das Labor auf Neßsand ist entdeckt worden.«
Christiansen zuckte zusammen. Das war in der Tat die Art von Neuigkeit, auf die er gerne verzichtet hätte. Über die ganze Neßsand-Geschichte hatte er damals viel zu leichtfertig entschieden. Ihm war nicht wohl dabei, und er war froh gewesen, als Villiers die Arbeiten nach kurzer Zeit hatte einstellen lassen. Danach hatte er jeden Gedanken daran verdrängt. Aber ein Labor ließ sich nicht verdrängen. Unabgeschlossenes hatte die Angewohnheit, irgendwann wieder aufzutauchen. Und dieser Zeitpunkt war offenbar gekommen.
»Sie haben meine volle Aufmerksamkeit«, sagte Christiansen mürrisch.
»Das ist gut«, gab Gironde zurück. »Denn es kommt leider noch schlimmer. Die beiden, die das Labor gefunden haben, sind Journalisten, jedenfalls einer von ihnen. Wir können also davon ausgehen, dass sie der Sache weiter nachgehen werden.«
»Und …«, der Bürgermeister rutschte auf dem Stuhl in eine bequemere Lage, »hat sich noch niemand darum … gekümmert ?«
»Doch. Es kam dabei zu einer Schießerei. Neulich am Fischmarkt. Sicher haben Sie davon gelesen.«
Christiansen hob die Augenbrauen. »Also das …«
»Ja, das waren sie. Leider sind die beiden entwischt und befinden sich nun auf dem Weg nach Manaus. Dort können wir sie immerhin festsetzen. Trotzdem muss hier in Hamburg noch einiges bereinigt werden. Es gibt zu viele Spuren.«
»Was ist mit dem Polizeipräsidenten? Und diesem einen Hauptkommissar, der sich überall hineinhängt, wie heißt er, Berger?«
»Um beide werde ich mich kümmern. Aber auf Dr. Villiers’ ausdrücklichen Wunsch hin sollte ich die Sachlage zuerst mit Ihnen besprechen.«
»Gut, das haben Sie ja jetzt getan.«
»Außerdem lässt er mich Ihnen mitteilen, dass er sich auf das Treffen mit Ihnen freut und auf eine weiterhin fruchtbare Zusammenarbeit auf dem medizinischen Sektor hofft.«
Erneut verzog Christiansen das Gesicht. Die Warnung war unverhohlen. Denn dass dem Land das Geld an allen Ecken und Enden fehlte, war kein Geheimnis, und Villiers hatte auf dem einen oder anderen Weg die Hand auf fast jedem der privatisierten Krankenhäuser in der Stadt.
»Richten Sie ihm aus, ich werde mein Möglichstes tun, um ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.«
Gironde nickte freundlich. »Vielen Dank. Und auch für Ihre Zeit. Ich muss nun einiges erledigen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
Luc verließ das Rathaus. Auf dem Weg nach draußen vibrierte sein Handy. Er kannte die Nummer. In Manaus musste es jetzt etwa Mittagszeit sein. Das Gespräch war nur kurz.
»Scheiße!«, war alles, was ihm über die Lippen kam.
Kapitel 10
Tagebuch von Marie Thomas – Brasilien, 16. Mai
I ch habe mein Lager ein Stück abseits des Flusses errichtet und liege nun in einer Hängematte, über mir ein Moskitonetz und unzählige Mücken, Nachtfalter und Insekten, die versuchen, hineinzukommen. Im Licht der kleinen Gaslaterne ist es schwer zu schreiben, aber ich wollte vor Einbruch der Dunkelheit möglichst weit vorankommen und mich nicht mit dem Tagebuch aufhalten.
Ich weiß nicht, wie weit ich gekommen bin, vielleicht zehn Kilometer, vielleicht auch nur fünf. Es lässt sich kaum abschätzen, weil der Weg streckenweise sehr beschwerlich ist. Eine Zeit lang konnte ich dem Fluss folgen, aber dann wurden die
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