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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Augenblick darauf achten, was sie über dieses oder jenes denken würde, wie sie sich fühlte, was sie brauchte oder wünschte. Wenn sie zur Abwechslung mal ein bisschen an ihn statt immer nur an sich gedacht hätte, wäre ihr das vielleicht klar geworden. Aber die Menschen drehen sich meist nur in ihrer kleinen Welt im Kreis. Ich, ich, ich. Seht, was ich kann, was ich habe!
    Tom ließ den Blick über die Gäste des Beachclubs wandern. Gefangen in ihren beschränkten Konzepten von Erfolg und Glück. Aber in Wahrheit waren die meisten von ihnen nichts als zweidimensionale Strichmännchen, klischeehafte Nebenfiguren in einem schlechten Roman, und wie so oft hätte er auch jetzt, in diesem Moment, nichts dagegen gehabt, wenn sie alle verschwänden, wenn er hier allein sitzen könnte.
    Die Bedienung brachte seinen Cider, und da Tom sie ausdrücklich ignorierte, entfernte sie sich glücklicherweise schnell. Er setzte an und leerte die Flasche zu einem Drittel.
    »Ist hier noch frei?«
    Tom drehte sich halb um. Neben dem Tisch stand ein junges Pärchen. Er mit der Sonnenbrille ins Haar geschoben wie ein latent schwuler Cabriofahrer und sie mit den Riemchen ihrer Leinenschuhe zwischen den Fingern.
    »Hm, ja klar«, antwortete er und wies halbherzig auf die andere Hälfte des Tisches. Die Höflichkeit gebot es ihnen vermutlich, dass sie fragten, obwohl hier offenbar für acht Platz war und er allein da saß. Andererseits, dachte er, hatten sie ja vielleicht ganz richtig bemerkt, dass sie möglicherweise stören könnten.
    Er sah schnell wieder weg. Das war etwas, das Anne ihm immer vorgehalten hatte. Dass er mit anderen Menschen nicht zurechtkam. Aber war es verwerflich, wenn man Smalltalk nichts abgewinnen konnte? Dass man sich seine Gesellschaft lieber selbst aussucht und sich allein am wohlsten fühlte? Das Problem mit anderen Menschen war, dass sie nicht einfach nur Informationsgegenpole, nicht einfach nur Gehirne oder Körper waren. Nein, jeder Mensch brachte endlos Ballast mit sich. Zusätzlich zu einem selbst hatte man plötzlich noch eine vollständige zweite Vergangenheit zu kennen, zu verstehen, zu berücksichtigen. Doppelt so viele Hintergründe, Ursachen, doppelt so viel Erlebtes, Unerledigtes, Unausgesprochenes, Unverarbeitetes. An jedem Mensch hing eine vollständige Welt. Er war Mitte dreißig und kam trefflich mit sich selbst zurecht, und andere Menschen sollten in diesem Alter auch mit sich selbst im Reinen sein. Jüngere waren ihm in ihrer Unausgegorenheit zu anstrengend, und wer die dreißig überschritten und noch immer einen Knacks hatte, der würde ihn auch nicht mehr loswerden. Aber offenbar traf das auf den größten Teil der Menschheit zu.
    Auf der Elbe schob sich ein gewaltiger weißer Frachter von Grimaldi Lines in Richtung Nordsee. Hohe, glatte Wände, groß wie ein schwimmendes Atomkraftwerk und genauso hässlich. In einiger Entfernung schoss irgendein Verrückter mit einem Jetski über das Wasser, an dem Schiff vorbei und suchte das Kielwasser, um sich an dessen Rand auszutoben.
    Zu Füßen des Beachclubs, dort, wo der schmale Streifen Elbstrand langsam in Schlick überging und matschverschmierte Kinder Löcher und Kanäle buddelten, riefen einige pubertäre Jungen aufgeregt und winkten ihre Freunde hinzu. Das Wasser zog sich vom Ufer zurück, erst drei, dann fünf, bald zehn Meter, als ob schlagartig die Ebbe einsetzte. Unter den hinzugeeilten Jugendlichen waren nun auch einige Mädchen zu sehen. Mit kurzen Hosen gingen sie weit auf den Fluss hinaus, bis ihnen das Wasser bis knapp über die Knie reichte. Tom schätzte, dass die Jungs wussten, was sie taten. Es war ein wohl kalkulierter Streich.
    Tatsächlich standen sie nicht lange im Wasser und sahen dem Frachter nach, als sich eine unscheinbare Welle abzeichnete, die auf den Strand zukam. Zwei der Mädchen bemerkten ihre schwache weiße Kante, drehten sich dann um und gingen zurück in Richtung Ufer. Sie dachten, sie hätten Zeit genug. Aber keine fünf Sekunden später hatte sie die Welle bereits eingeholt. Sie bäumte sich nicht auf, aber sie hob das Wasser mit einem Mal um dreißig Zentimeter. Die Mädchen kreischten auf, als ihre Hosen bis zum Hintern durchnässt wurden. Das Lachen der Jungen hallte über den Strand. Die Mädchen standen wütend im Wasser, quietschten und schimpften, und als sei es nicht schon schlimm genug, erfasste sie eine zweite Welle, die seitlich durch die kleine Bucht fuhr. Sie hob den Pegel erneut, und nun standen

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