Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Befriedigt grinst er, als er endlich das Laken glatt um alle vier Ecken des Bettes geschlagen hat. Doch der Zug ist zu groß; eines der elastischen Bänder rutscht von der Ecke, und das Laken wickelt sich auf. Ärgerlich zieht er das Band wieder über die Ecke, woraufhin eines der anderen Bänder von einer anderen Ecke rutscht. Jedesmal, wenn er ein Band über eine Ecke zieht, springt ein anderes von einer anderen Ecke.
Dieser Prozeß heißt Symmetriebruch. Das glatt gespannte Bettlaken besitzt einen hohen Grad von Symmetrie. Man kann das Bett an jeder Achse um 180 Grad drehen, ohne daß es sich verändert. Diesen hochsymmetrischen Zustand bezeichnen wir als falsches Vakuum. Obwohl es völlig symmetrisch erscheint, ist es nicht stabil. Das Laken will nicht in seinem straff gespannten Zustand bleiben. Dazu ist die Spannung zu groß und die Energie zu hoch. Deshalb löst sich ein Band, und das Laken wickelt sich auf. Die Symmetrie ist gebrochen, und das Bettlaken ist in einen Zustand mit geringerer Energie und weniger Symmetrie übergegangen. Wenn wir das aufgewickelte Bettlaken jetzt an einer Achse um 180 Grad drehen, finden wir nicht mehr das gleiche Bettlaken vor.
Ersetzen wir jetzt das Bettlaken durch eine zehndimensionale Raumzeit, die Raumzeit der höchsten Symmetrie. Am Anfang der Zeit war das Universum vollkommen symmetrisch. Wäre damals jemand zugegen gewesen, hätte er sich durch jede der zehn Dimensionen frei bewegen können. Damals waren Gravitation, die starke, die schwache und die elektromagnetische Kraft alle durch den Superstring vereinigt. Die ganze Materie und alle Kräfte gehörten dem gleichen Stringmultiplett an. Doch diese Symmetrie konnte nicht von Dauer sein. Mochte das zehndimensionale Universum auch vollkommen symmetrisch sein, es war instabil, so instabil wie das Bettlaken, und es befand sich in einem falschen Vakuum. Deshalb mußte es in einen niedrigeren Energiezustand tunneln. Als dieser Tunnelprozeß schließlich stattfand, kam es zu einem Phasenübergang, und die Symmetrie ging verloren.
Da sich das Universum in ein vierund sechsdimensionales Universum aufzuspalten begann, war es nicht mehr symmetrisch. Sechs Dimensionen hatten sich aufgewickelt, so wie sich das Bettlaken aufwickelt, wenn ein elastisches Band von einer Ecke der Matratze rutscht. Dabei müssen wir aber bedenken, daß es für das Bettlaken vier Möglichkeiten gibt, sich aufzuwickeln, je nachdem, an welcher Ecke das Band zuerst abspringt. Doch das zehndimensionale Universum kennt offenbar Millionen Arten, sich aufzuwickeln. Um auszurechnen, welchen Zustand das zehndimensionale Universum bevorzugt, müssen wir die Stringfeldtheorie mit Hilfe der Theorie vom Phasenübergang lösen – das schwierigste Problem der gesamten Quantentheorie.
Symmetriebruch
Phasenübergänge sind nicht neu. Denken wir nur an unser Leben. In ihrem Buch Passages legt Gail Sheehy dar, daß das Leben nicht, wie es häufig scheinen will, ein kontinuierlicher Erfahrungsstrom ist, sondern in Wirklichkeit verschiedene Stadien durchläuft. Ihre Merkmale sind spezifische Konflikte, die gelöst, und spezifische Ziele, die erreicht werden müssen.
Eine regelrechte Theorie der psychologischen Entwicklungsstufen hat der Psychologe Erik Erikson dargelegt. Danach ist jede Phase durch einen Grundkonflikt gekennzeichnet. Wird der Konflikt befriedigend gelöst, gelangen wir auf die nächste Stufe. Ist das nicht der Fall, so kann der Konflikt weiter schwelen und sogar zur Regression auf eine frühere Stufe führen. Entsprechend hat der Psychologe Jean Piaget gezeigt, daß auch die geistige Entwicklung in der frühen Kindheit kein gleichmäßig fortschreitender Lernprozeß ist, sondern in Wahrheit in ziemlich sprunghafte Stadien der kindlichen Begriffsentwicklung unterteilt sind. Während das Kind in diesem Monat noch die Suche nach einem Ball aufgibt, sobald er aus seinem Blickfeld gerollt ist, weil es nicht begreift, daß ein Objekt auch dann noch existiert, wenn es nicht mehr zu sehen ist, kann das Kind dies schon im nächsten Monat als selbstverständlich empfinden.
Das ist auch der Kern der Dialektik. Nach dieser Philosophie durchlaufen alle Objekte (Menschen, Gase, das Universum selbst) eine Reihe von Stadien. Jedes Stadium ist durch einen Konflikt zwischen zwei gegenläufigen Kräften charakterisiert. Dabei entscheidet das Wesen dieses Konfliktes über das Wesen des Stadiums. Ist der Konflikt gelöst, gelangt das Objekt in
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