Iacobus
zu Atem kam. Ich klopfte meine Kleider ab und blickte ihn herausfordernd an: »Wenn ich nicht heute noch zu Sara und Jonas zurückkehre, so haben die beiden die Anweisung, das Pergament dem Großkomtur der Hospitaliter und Herzog von Soyecourt, Bruder Robert d'Arthus-Bertrand, zukommen zu lassen, von dem Ihr sicher schon gehört habt. Falls wir allerdings zu einer Übereinkunft gelangen, so werde ich selbst es Euch übergeben, sobald Sara, der Junge und ich in Sicherheit sind.«
Manrique sagte kein Wort. Seine müden Augen schweiften über die Steilküste und blieben an der verschwommenen Silhouette von Martiños Kahn hängen.
»Sie ist dort auf dem Schiff, nicht wahr?« fragte er plötzlich traurig. Er liebte Sara noch immer.
Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, wie mir die Eifersucht einen Stich versetzte. Ich fragte mich, was sie wohl dazu sagen, was sie fühlen würde, wenn sie es wüßte. Hatte sie ihn mehr geliebt als mich? Würde sie zu ihm zurückkehren wollen? … Nein, dachte ich, Saras Augen können nicht lügen. Saras Körper würde nie lügen.
»Ihr habt die Freiheit gewählt«, entfuhr es Manrique. »Ich habe stets Befehlen gehorcht. Die Zeiten sind schlecht, und jemand muß die schmutzige Arbeit machen.«
»Nehmt Ihr meinen Vorschlag also an?« drängte ich ihn. Ich wollte schnellstens zu Sara zurückkehren, von dort verschwinden.
»Nein.«
»Nein?«
Zwar wußte ich, daß dies geschehen konnte, ich hatte sogar damit gerechnet, doch im Grunde meines Herzens hatte ich so sehr auf einen guten Ausgang gehofft, daß seine abschlägige Antwort mich verwirrte.
»Nein?« wiederholte ich ungläubig.
»Nein.«
Er ließ sich schwerfällig auf dem Felsen nieder, der ihm zuvor schon als Sitzplatz gedient hatte, und sah mich an.
»Ihr habt Eure Wünsche und Forderungen dargelegt. Nun bin ich an der Reihe, Euch das auseinanderzusetzen, was der Templerorden von Euch will.«
»Reicht mein Schweigen, mein Verschwinden und die Übergabe des Pergaments denn nicht aus?«
»Ich leugne nicht, daß es ein interessantes Angebot ist«, entgegnete er lächelnd. »Mehr noch, ich bin mir sicher, daß mein Orden Euer Angebot sehr wertgeschätzt hätte, wenn keine anderen, grundsätzlicheren Interessen dazwischengekommen wären. So wäre es ein leichtes gewesen, ein Problem zu lösen, das einen Großteil unserer Kräfte bindet. Indessen gibt es da etwas, das für den Templerorden über allem anderen steht, und ohne das kommen wir zu keiner Einigung.«
»Und was wäre das?«
»Ihr wärt das, Galcerán de Born. Ihr selbst.«
Ich glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben, und ließ mir mehrere Male seine Antwort durch den Kopf gehen, bis mir ein Licht aufging.
»Mich!«
»Denkt Ihr nicht, daß es an der Zeit ist, etwas zu essen? Die Sonne steht schon hoch, und uns bleibt noch viel zu bereden. In den Satteltaschen habe ich Brot, Käse, gedörrten Fisch, geräucherten Speck, Äpfel und einen Schlauch voll Wein. Habt Ihr Lust?«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Nun, dann erlaubt wenigstens, daß ich etwas zu mir nehme. Die Meeresluft macht Appetit.«
Er aß schnell, während ich lustlos auf etwas Brot und einem Stück Käse herumkaute. Der kräftige Wein entspannte uns, und als wir das Mahl beendet hatten, setzten wir unsere Unterhaltung fort.
»Was will der Templerorden von mir? Es wäre absurd, von mir zu verlangen, das Templergelübde abzulegen, nachdem ich doch gerade das der Hospitaliter gebrochen habe.«
»Der Templerorden will nicht Euch, Galcerán de Born. Der Templerorden will den Perquisitore.«
»Ich bin der Perquisitore!« entgegnete ich empört.
»Und wie viele von Euch, glaubt Ihr, gibt es außerdem noch? Keinen mehr! Das ist ganz deutlich geworden. Deshalb brauchen wir Euch. Wir verlangen weder, daß Ihr unsere Gelübde ablegt, noch daß Ihr auf das von Euch gewünschte Leben verzichtet. Wir wollen einzig und allein, daß Ihr für uns arbeitet, wofür Ihr all das erhalten werdet, worum Ihr gebeten habt, und vielleicht noch viel mehr, denn wir sind überzeugt, daß ein Mann wie Ihr es sehr zu schätzen weiß, an unseren gegenwärtigen Projekten mitzuwirken.«
»Wie eingebildet Ihr doch seid! Euer Verhalten mindert den Wert Eures Angebot beträchtlich.«
»Wartet, noch bin ich nicht fertig!«
Auf seinem Gesicht spiegelte sich tiefe Zufriedenheit, eine innere Befriedigung, die ich nicht verstehen konnte. Warum sollte ich seiner Forderung nachkommen? Ich hatte meine Waffen ins Spiel
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