iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Während wir nach der Landung auf unsere Rucksäcke am Gepäckband warteten, fesselte uns der erste Eindruck: Leichtigkeit schwebte in der Luft. Die anwesenden Kubaner trugen ihre Fröhlichkeit auf den Gesichtern und vielfach ein lautes Lachen auf den Lippen. Kein serviceorientiertes eingemeißeltes Lächeln – ihr Lachen war echt. Die Menschen verbreiteten eine warme und offene Herzlichkeit. Der deutsche Frost, der uns noch in den Knochen steckte, wurde durch die karibische Wärme schlagartig vertrieben.
Ein Taxi brachte uns vom Flughafen zu der Adresse unserer privaten Gastfamilie. Ein Hamburger Bekannter hatte uns angeboten, während der Zeit in Havanna bei seiner kubanischen Familie zu wohnen. Diese bestand aus drei Generationen unter einem Dach und wir fanden diese Möglichkeit des privaten Eintauchens in eine fremde Kultur großartig. Gleich mittendrin, so wie wir es wollten.
Erschöpft stiegen wir die wenigen Treppen des Hausflures hoch. Von draußen hörten wir unbekannte Laute, tropische Vögel zwitscherten und die bunten Pfaue vom Nachbarn kreischten. Nur wenige Autogeräusche waren zu hören. Die laue Abendluft gab uns das Gefühl eines schönen Sommertages in Deutschland.
Die Wohnungstür öffnete sich kurz nach dem Klingeln und die fünf lächelnden Familienmitglieder schauten uns genauso aufgeregt und neugierig an wie wir sie. Wir kannten uns nicht und würden doch für die nächsten drei Wochen ein Zuhause teilen: unsere Gasteltern, ihre zwei Töchter in unserem Alter, eine Enkeltochter und wir.
Unbeholfen standen wir mit unseren großen Rucksäcken auf den Rücken in der Eingangstür. Die wenigen spanischen Wörter, die Birte sprach, versteckten sich hinter ihrer Müdigkeit und kamen nur stotternd über ihre Lippen. Die erste rudimentäre Kommunikation musste also durch freundliches Lächeln erfolgen, unterstützt von Händen und Füßen. Zu lächeln schien allen sowieso leicht zu fallen.
Wir wurden höflich herein gebeten und folgten der grauhaarigen dynamischen Gastmutter durchs farbenfroh gestrichene Wohnzimmer. Dahinter lag unser Schlafzimmer. Es roch darin nach frischer Bettwäsche und gewischten Bodenfliesen. Der Duft mischte sich mit einer angenehmen Brise, die durch die offenen Fensterläden herein wehte. In eine kleine Kommode konnten wir später unsere Kleidung legen und in der angrenzenden Kammer unsere Rucksäcke verstauen, so erklärte sie uns das Zimmer.
Ich überlegte gerade, wo wir in der Nachbarschaft noch etwas zu essen bekommen könnten, als wir wieder ins farbenfrohe Wohnzimmer gerufen wurden. Die Familie hatte bereits zu Abend gegessen, weshalb der Tisch nur mit zwei Tellern gedeckt war. Die waren für uns. Lächelnd trug unser Gastvater einen großen Topf mit Hühnersuppe auf den Familientisch und hieß uns damit willkommen. Die heiß dampfende Hühnersuppe floss beruhigend in meinen Bauch und hätte nicht besser schmecken können. In der Kehle löste sich ein dicker Kloß, der sich aus mulmiger Anspannung vor der Abreise, der Hektik der letzten Tage in Hamburg und dem Abschiedsschmerz dort festgesetzt hatte, und rutschte nun mit der Suppe in meinen Magen. Mit der Aussicht auf ein Bett mit frisch duftender Bettwäsche und herzlichen Gastgebern fühlten wir uns wohl.
Nicht nur unsere Gastfamilie empfing uns mit einladender Atmosphäre; ebenso tat es die kubanische Insel mit ihren sommerlichen Temperaturen im Januar. Heiße Füße konnten im blau-türkisen Meer unter Palmen abgekühlt werden. Der Rhythmus von Tanz und Musik war in jedem Hüftschwung der Kubaner zu spüren. Das legendäre Getränk »Cuba Libre« machte, mit einheimischer brauner Brause, keine Kopfschmerzen und das Paffen der dicken Zigarren schon gar nicht. Das Land schaffte es leicht, ausländische Besucher durch die karibischen Attribute eines wahrhaftigen Traumurlaubs zu ködern.
Es war das eingetreten, was uns ein Kubaner bereits im kalten Hamburg prophezeit hatte: Wir wurden mit jedem Tag ruhiger und fühlten uns bald auch mental und emotional wie auf einer Insel. Wir bemerkten nicht nur körperlich die durchdringende Entspannung; auch im Kopf verbreitete sich eine tiefe Ruhe. Die Flut und Dichte an Reizen und Informationen, die uns vorher umgeben hatte, ebbte ab. Die teilweise empfundene Überfrachtung und der unterschwellige Druck sich ständig für irgendetwas entscheiden zu müssen, verschwanden. Selbst die alltägliche latente Werbung, die uns in jeder Situation in Deutschland umgab, war weg.
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