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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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mitzunehmen, wechselte sekundenschnell den Besitzer. Ungeachtet des gut gemeinten Rates unseres Gastvaters, hatte ich ihn nicht direkt AM SACK versteckt. Obwohl ich mir in diesem Moment nicht sicher war, ob sie ihn dort nicht auch gefunden hätten. Jetzt wusste ich auch, wie und weshalb sie mich aus der Fassung gebracht hatten. Der Trick war leicht.
    Durch flinke Finger war unser Geldschein aus der Reißverschlusstasche verschwunden. Für uns war es ein kleiner Geldbetrag, für die kubanischen Diebe ein Monatslohn.
    Ich hing hilflos an meiner Busstange, wie eine geschlachtete und abgehängte Schweinhälfte. Ich erkannte nun mehrere freundlich aussehende Männer, die mich wie in einem Schraubstock eingespannt hatten. Ihr Job war nun erledigt. Sie lösten ihren Druck und die beklemmende Enge verschwand um mich herum. Der Holzstock konnte eingepackt werden und möglicherweise woanders Freude schenken.
    An der nächsten Haltestelle sprangen Birte und ich ohne Geld und große Keiferei aus dem Bus an die frische Luft. Wir wollten nichts Schlimmeres riskieren und sahen es sportlich. »Der Geldschein war nicht weg, sondern nur woanders«, riefen wir uns den Lieblingssatz eines Freundes ins Gedächtnis. Bis auf unseren angeknacksten Stolz, das erste Mal auf Reisen beklaut worden zu sein, waren wir ja putzmunter. Der kurzfristig entstandene Druck ließ nach; dafür stieg der auf die Lachmuskeln an. Zumindest war es der einzige Druck gewesen, den wir auf Kuba bis dahin verspürt hatten. Fingerfertig waren sie ja, und wir noch lernfähig.
     
    Mit den geballten Eindrücken, die eine Großstadt hinterlässt, verließen wir nach drei Wochen Havanna und reisten weiter in die Kleinstadt Trinidad. Im historischen Altstadtkern wohnten wir wieder bei einer Familie, diesmal jedoch in einer offiziellen privaten Unterkunft, einer »casa particular«. Es gab einige dieser Unterkünfte, deren staatlich genehmigte Lizenz allerdings ebenso schnell wieder entzogen werden konnte, wie sie vorher Geld beschert hatte.
    Die kleine Tochter unserer Gastfamilie liebte es, im Durchgangszimmer vor dem Radio laut ihr Lieblingslied mitzusingen. Die Mutter und der Vater arbeiteten tagsüber auswärts, während die sonnengegerbte Oma mit Lockenwicklern im Haar in der Küche Essen vorbereitete. Die pubertierende Tochter lungerte mit ihren pickligen Freunden im Innenhof herum. Die vielen anderen Personen im Haus waren im Zweifelsfall immer irgendein Onkel oder irgendeine Tante. Die Familie teilte nicht nur ihr Zuhause mit uns, sondern erzählte auch von den Kochkünsten einer Verwandten, bei der wir zu Abendessen konnten. Es war wohl kein offizielles Restaurant, sondern eher ein privates Haus, in dem es gute Gerichte gab.
    An einem Abend schlenderten Birte und ich durch die ruhigen Straßen der restaurierten Altstadt dorthin. Auf dem Kopfsteinpflaster hallten unsere Schritte zwischen den bunt gestrichenen Häusern. Deren pittoreske Schönheit wirkte mit ihrer kolonialen Architektur wie einem Fotoband entsprungen.
    Die vielen Souvenirstände waren inzwischen abgebaut worden. Die Bewohner der dahinter liegenden Häuser mussten sich nicht mehr durch Tischdecken, Holzschmuck oder Che-Poster zu ihren Haustüren durchzwängen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit waren die meisten kaufkräftigen Ausländer mit Reisebussen zurück in ihre Hotelanlagen gefahren worden. Die wenigen Übriggebliebenen gönnten sich einen Salsa-Tanz auf dem Hauptplatz oder ließen in der warmen Abendluft den Tag langsam ausklingen. Auch der fotogene Opa mit dicker Zigarre zwischen den Zähnen und einem farbenprächtigen Hahn auf dem Schoß, den wir vorher gesehen hatten, war nach Hause gegangen. Er hatte für heute sein Geld als Fotomotiv für Touristen leicht verdient. Die ausgemergelten Pferde der Bauern standen dagegen schläfrig hinter den Häusern. Bis zum nächsten Morgen konnten sie sich von ihrem anstrengenden Arbeitstag ausruhen.
    Wenige Straßen gingen wir durch die Dämmerung von Trinidad, bevor wir vor dem genannten privaten Haus mit der guten Köchin standen. Wir klingelten und wurden durch eine hohe Eingangstür in ein umfunktioniertes Wohnzimmer gebeten. Auf dessen wenigen Sofas und Sesseln, die abgenutzte und fadenscheinige Polster hatten, saßen freundlich aussehende Menschen und warteten mit einer Bierflasche in der Hand. Sie versprühten die Atmosphäre einer privaten Familienfeier, jedoch mit dem Unterschied, dass sich hier niemand kannte.
    Die Reihe der Wartenden lichtete

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