Ice
im Krieg. »Und wo ist Andrew … äh … Julius?« Ich hoffe, ihm geht es gut.
»Er hat sich mit ein paar Leuten in die ehemalige Wäscherei zurückgezogen, die er früher geleitet hat. Dort gibt es geheime Hinterzimmer, die mit der nötigen Technik ausgerüstet sind. Da ist unsere Kommandozentrale. Er klopft auf ein kleines Gerät an seinem Handgelenk. Wir sind wieder miteinander verbunden, und haben über unsere neue Zentrale auch Kontakt zu Mark.«
Erleichtert atme ich auf. Andrew und die anderen scheinen alles im Griff zu haben.
Ich sehe Jax’ Gesicht im Dunkeln nicht richtig, aber anhand seiner Stimme bemerke ich, wie ernst die Lage ist. »Wir müssen uns nur um das Volk Sorgen machen, die ticken da oben regelrecht aus. Sie plündern und zerstören mutwillig Einrichtungen.«
Ich höre meinen Vater schnauben. Er freut sich wohl. »Wir müssen etwas unternehmen, damit sie in den Häusern bleiben.«
»Jul hat da schon eine Idee«, sagt Jax.
Ob ich mich jemals daran gewöhnen werde, dass sich Andrew nun Julius nennt?
»Was?«, frage ich mit klopfendem Herzen.
»Wir erzählen ihnen einfach die Wahrheit über das Gas. Dass sie in den Häusern bleiben und alle Türen und Fenster geschlossen halten sollen.«
Ich nicke. »Wenn es nicht anders geht, stimme ich Andrews Plan zu. Außerdem brauchen wir eine Art Polizei, die die Leute zurechtweist.« Ich möchte nicht, dass alles so bleibt wie bisher, aber erst einmal müssen wir durchgreifen, um das Chaos zu beseitigen.
»Lass uns nur machen.« Jax übernimmt meinen Vater und stößt ihn vor sich her durch die Dunkelheit.
Während wir gehen, erläutern wir ihm unsere weiteren Pläne und überreichen ihm die Codes. Damit ist er Herr über die Stadt, sämtliche Gebäude und Computer stehen ihm offen.
Jax weiß, was zu tun ist, wir können hier nichts mehr machen, haben eine andere Mission.
Er verschwindet mit meinem Vater in die entgegengesetzte Richtung, während Ice und ich unterirdisch zum Turm laufen. Dort muss sich auch der Bunker befinden, nur eine Ebene tiefer. Aber der ist nicht unser Ziel, wir müssen nach New World City.
Hand in Hand renne ich mit Ice durch die Dunkelheit zum Fundament des Shuttle-Tower. Ich vertraue ihm blind und bin froh, dass er mich führt. In meinem Kopf rotiert alles.
Auch hier gibt es einen unterirdischen Zugang zum Aufzugschacht, und wir schaffen es bis aufs Dach. Ice räumt die überraschten Wachen aus dem Weg, wieder fließt Blut. Es geht alles so schnell, alles erscheint unwirklich, seltsam verzerrt. Wie in einem Traum.
Schüsse, Tote, Blut … Wir müssen alle Opfer bringen.
***
Erst als wir mit dem Shuttle die Kuppel verlassen und Ice den Sichtschutz von der Frontscheibe reißt, komme ich langsam zu mir. Während er Mark anfunkt, damit er das Schiff vom Satelliten trennen kann, sehe ich zum ersten Mal aus nächster Nähe die Kuppel von außen. Sie erinnert mich an eine riesige Milchblase, die im Sonnenlicht in allen Farben schillert. Eigentlich wunderschön – und doch hasse ich sie. Drumherum liegt die Sicherheitszone, dahinter folgt eine hohe Mauer.
So viele Menschen haben hier bereits ihr Leben verloren. Das muss endlich aufhören.
Wir steigen höher, ich kann einen kurzen Blick auf das entfernte Resur werfen, dann schweben wir über die unendlich erscheinende Wüste.
»Danke, Mark!«, sagt Ice in das Mikrofon. »Wir sind offline.«
Ich war so in Trance, das ich das Gespräch kaum mitbekommen habe. Doch ich muss endlich aufwachen. »Mark«, rufe ich schnell, bevor die Verbindung abbricht. »Wie geht es Storm?«
»Viel besser«, antwortet er. »Ich denke, er wird es schaffen.«
Das sind gute Neuigkeiten.
Ice deutet auf meinen Gurt. »Schnall dich lieber an. Wenn es über den Pazifischen Ozean geht, fliegen wir mit Extraschub.«
Ich weiß das, zumindest das mit dem Extraschub, da ich oft genug nach New World City geflogen bin, um meine Mutter zu besuchen. Jetzt werden wir sie dort abholen. Ich will noch gar nicht darüber nachdenken, ob wir es schaffen.
Kaum habe ich den Gurt geschlossen, werde ich in den Sitz gedrückt. Die Landschaft unter uns verschwimmt für einen Moment, ist nur noch eine grün-braune Fläche, aber plötzlich liegt tiefes Blau unter uns. Das Meer!
Wir steigen höher, und ich beuge mich weit vor, um möglichst viel zu sehen, obwohl es nicht wirklich viel zu entdecken gibt, außer einem dunkelblauen Glitzerteppich. Weit und breit existiert nur Blau. Unter uns, über uns.
Alles, was
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