Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
öffne die große Tür, die in den gemauerten Verbindungsgang zur Stadt führt. Dummerweise lasse ich die Tür hinter mir zuschlagen und stehe in dem bedrückenden Eingangstunnel, der auf der einen Seite durch eine große Holzpforte zur Straße führt und auf der anderen Seite durch ein schmiedeeisernes Gittertor in den Klostergarten. Beide Pforten sind fest verriegelt. Natürlich, ich bin hier ja auch in einem spanischen Nonnenkonvent!, schießt es mir durch den Kopf. Auch der Weg zurück ins Kloster ist versperrt, da die Eingangstür sich nur von innen öffnen lässt. Ich sitze fest zwischen den Klostermauern! Ein einziger Schritt trennt mich von der Straße.
    Hoffentlich ist das ein Orden von Frühaufsteherinnen. Ich habe an die sieben Stunden wach gelegen. Fühle mich wie gerädert. Mist!
    Ich werde weder noch einmal in einem Kloster noch auf dem Boden schlafen; es sei denn, ich muss! Eher bleibe ich wach oder ich penn draußen auf ’ner Bank. Ich kann einfach nicht glauben, dass Shirley MacLaine auch nur eine einzige Nacht in diesen refugios verbracht hat. Und wenn doch, dann hat sie wirklich einen Sockenschuss! Ich will hier raus! Direkt gegenüber ist eine herrliche Pension, nur knappe fünf Meter entfernt.
    Wann, um Himmels willen, öffnen die hier die Klosterpforte? Grauenvoll, es ist wie im Knast! Mal sehen, wie lange ich jetzt in diesem Zwischenleben festhänge. Ich bin nicht drin und nicht draußen. Ich hänge fest. Diesmal wörtlich. Zwei Stunden hocke ich so in der Kälte.
    Um Schlag sechs Uhr erlöst mich eine Schwester und öffnet die Pforte zur Freiheit. Und ich gehe nicht über Los aus dem Gefängnis, sondern direkt in die gegenüberliegende Pension und falle todmüde in ein frisch gemachtes, sauberes, blütenweißes Bett und schlafe durch bis elf Uhr.
    Da die Sonne schon wieder unerbittlich vom wolkenlosen Himmel knallt, als ich erwache, beschließe ich, einen Tag in Santo Domingo auszuruhen, weiterzulaufen wäre bei der Hitze sowieso idiotisch. Also verbummele ich den brütend heißen Tag in den schattigen Gassen dieses spanischen Traums von einer Stadt und bedaure es ein bisschen, dass ich mich von Anne nicht einmal richtig verabschieden konnte.
     
     
    In Santo Domingo de la Calzada  
     
    Als ich im Schaufenster einer Apotheke im Vorübergehen mein Spiegelbild erblicke, muss ich lachen. Wer bitte soll denn das sein? Diese dürre, bärtige Gestalt mit dem verfilzten, speckigen Käppi auf dem Kopf? Kein Wunder, dass Anne sich vor mir fürchtet! Ich brauche erst mal sofort einen neuen Hut!
    Gezielt suche ich nach einem passenden Geschäft und werde am Ende der Altstadt fündig. Ein aufgeschlossener, agiler älterer Herr scheint hinter dem gläsernen Tresen seines chaotischen Gemischtwarenladens schon seit Jahren auf mich gewartet zu haben und beginnt nach einem belanglosen Einstieg ins Verkaufsgespräch umgehend damit, meinen Kopf zu vermessen. Die ungewöhnliche Größe meines Kopfes lässt mir nicht viel Auswahl und nach kurzer Beratung seinerseits entscheiden wir uns gemeinsam für einen grünen Baumwollhut mit weiter Krempe.
    Ich behalte den neuen Hut gleich auf und da fragt mich der Herr: »Dürfte ich vielleicht Ihren alten Hut behalten, den tragen Sie doch sowieso nicht mehr?« Die Sache kommt mir zwar eigentümlich vor, aber wenn er unbedingt will. Trotzdem frage ich ihn: »Was wollen Sie denn damit?«
    Die Antwort scheint ihm ein bisschen peinlich zu sein und sein Blick geht zur Zimmerdecke: »Ach, wissen Sie, ich sammle ausrangierte Pilgerhüte!« Mit offenem Mund schaue ich nach oben. Über mir hängen an die hundert alte Mützen, Kappen und Hüte. Er zückt einen Filzstift und hält ihn mir entgegen: »Sie müssten ihn mir schon signieren... mit Datum, sonst ist es wertlos. Macht es Ihnen etwas aus?« Also setze ich mein Autogramm und das Datum auf meine gelblich schimmernde Baseballkappe, nicht ohne das zu kommentieren: »Vielleicht finden Sie das jetzt ein bisschen angeberisch?«, füge ich hinzu, »... aber... das ist nicht das erste Autogramm, das ich gebe. Ich bin in Deutschland... so was wie... na ja... Star ist vielleicht das falsche Wort aber...«
    Er unterbricht mich: »Sie sind berühmt? Das ist ja großartig. Das macht meine Sammlung ja noch wertvoller!« Sofort unterzieht er meinen alten Hut einer genaueren Untersuchung und freut sich wie ein kleiner Junge über meine gut leserliche Unterschrift! »Allen Deutschen werde ich diesen Hut zeigen, glauben Sie mir. Die Mütze

Weitere Kostenlose Bücher