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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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gigantischen Kornfeld.
    Die Pilger, die sich vor uns hier verlaufen haben, waren so freundlich und haben eine schöne Schneise ins Feld getreten. Was soll’s? Irgendwo muss man also offensichtlich hinkommen, denn die Spuren führen nur in eine Richtung, also ist keiner der Irrläufer je wieder zurückgekehrt. Was nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein muss! Aber es ist heiß und bei der Hitze weitere sinnlose Kilometer zurückzulaufen, kommt mir nicht in die Wandertüte. Etwa einen Kilometer folge ich der Schneise, bis gar nichts mehr geht und ich vor einem weiteren riesigen Feld mit Setzlingen – Zwiebeln, glaub ich – stehe.
    Die immer noch hinter mir her tapernden Spanier entpuppen sich als Weicheier, haben kein Vertrauen mehr in meine Wanderführer-Persönlichkeit und kehren entschlossen um. Spuren oder gar Schneisen durch Vorpilger sind nicht mehr zu erkennen. Dies also muss eine Stelle sein, wo Pilger spurlos in den Himmel auffahren! Bis auf meine Wenigkeit. Heute wird scheinbar keiner hochgebeamt und so setze ich vorsichtig einen Fuß in das jungfräuliche Feld und durchquere auch dieses, um später in einem namenlosen Dorf zu landen. Auf der asphaltierten kleinen Hauptstraße sehe ich dann wieder den ersten gelben Pfeil und bin wieder auf dem Weg.
    Wäre ich die Landstraße entlanggelaufen, erfahre ich von einem leicht angetrunkenen campesino in der Dorfschänke, wäre auch das falsch gewesen.
    Also hatte ich mich wahrscheinlich schon vor der Weggabelung verlaufen. Auf dem ganzen Weg habe ich übrigens wieder keinen einzigen Schmetterling gesehen. Darauf hätte ich vielleicht achten sollen! Es ist verrückt, aber abseits des Jakobsweges sehe ich nicht einen einzigen Schmetterling.
    Es klingt absurd, aber auch Singvögel halten sich offensichtlich in erster Linie direkt am Jakobsweg auf. Und noch nie in meinem Leben habe ich so viele Störche gesehen. Hier nisten sie auf allen Kirchenkreuzen entlang des Weges. Die Zeichen für Tod und Geburt friedlich nebeneinander vereint. Nur das Kreuz, das Zeichen des Todes, gibt dem Storch, Symbol für die Geburt, hier die Möglichkeit, sein Nest in schwindelnder Höhe zu errichten. Vielleicht lässt sich daraus auf eine enge Verwandtschaft und gegenseitige Abhängigkeit der beiden grundlegenden Erfahrungen im Leben eines Menschen schließen?
    Heute ist Sommeranfang und die Hitze ist unverschämt, locker 35 Grad Celsius. Sogar noch am frühen Abend, als ich das Ziel meiner heutigen Etappe, Castildelgado, erreiche. Ich bin in Kastilien, hurra!
    Castildelgado liegt auf 770 Höhenmetern mitten im Nirgendwo der kastilischen Pampa und ich bin glücklich, ein zünftiges Brummifahrer-Motel mit deftiger spanischer Küche vorzufinden. Eine Pilgerherberge gibt es hier nicht. Der Ort besteht aus fünf – wie soll ich sagen – hausartigen Gebilden, einer größenwahnsinnigen Dorfkirche, die das Zeug zur Kathedrale hat, dem Motel, einem dubiosen Club mit rosa Leuchtschrift und zwei Mähdreschern.
    Rundherum ist nichts anderes zu sehen als quietschgelbe Felder und eben die näher rückenden schneebedeckten Berge in der Ferne. Ja, und hier wird dann jetzt auch endlich das Spanisch gesprochen, welches ich in der Schule gelernt habe. Das Castellano.
    Während ich aus meinem Motelfenster auf die Kirche schaue, sehe ich, wie eine Oma die Kirche aufschließt.
    Nichts wie runter! Die einzige Sehenswürdigkeit im Ort muss ich mir doch anschauen!
    Als ich unten vor dem Gotteshaus ankomme, steht die Oma immer noch davor.
    Da sie mich sehr verwundert anschaut, nehme ich an, dass Pilger sich offenbar so gut wie nie hierher verirren. Schade eigentlich, denn die paar alten Leute, die hier leben, sind offen und gastfreundlich. Umso mehr freut es sie, dass ich mir das Juwel von Castildelgado ansehen will, und begleitet mich in den Innenraum. Unsere Besichtigungstour ist schnell vor dem Altar beendet und so bittet die Frau mich, in einer der herrlich kühlen Kirchenbänke Platz zu nehmen. Nach und nach betreten fünf weitere alte Damen und ein Opa die Kirche.
    Die ältere Dame beginnt den Rosenkranz zu beten. Der monotone Singsang wirkt beruhigend und das sich fortwährend wiederholende Lamento gibt Kraft, Sicherheit und macht friedlich! Also falle ich, nachdem ich die Worte mitsprechen kann, in das Mantra ein und denke unweigerlich an Larissa.
    Nach dem Gebet gibt es noch einen kurzen Plausch auf dem sandigen Platz gegenüber dem Motel und die Gemeinde hat im stillen Einvernehmen

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