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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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getötet.
    Warum? Vielleicht, weil es einen Punkt gab, an dem sich die Angst nicht mehr steigern ließ, ein Vierteljahrhundert der Angst einen Menschen immun machte gegen was auch immer.
    Nein, er
wollte
nicht darüber nachdenken.
    Der Fall war gelöst.
    Wolfram war am Leben, Irmtraud war am Leben.
    Jörg Albrecht selbst war wider Erwarten am Leben.
    Damit sollte es genug sein.
    Er holte Luft.
    «Und damit kehren wir ganz an den Beginn zurück», sagte er. Neunzig Prozent seines Aktenstapels wanderten auf die rechte Seite des Tisches: bereit zur Übergabe an die Staatsanwaltschaft, die das Konvolut einlagern würde.
    Gegen eine Tote konnte niemand einen Prozess führen.
    Albrecht griff nach dem Rest des Stapels.
    «Was nun das
Fleurs du Mal
betrifft …»
    «Hauptkommissar?»
    Er blinzelte.
    Isolde Lorentz war aufgestanden. «So gerne ich Ihnen dabei zuhöre, wie Sie die letzten Fäden verknüpfen, habe ich leider nicht unbegrenzt Zeit. Ich wollte die Gelegenheit nutzen …»
    Sie schlängelte sich zwischen den Tischen nach vorn, und ein Hauch ihres dunklen Parfüms streifte ihn.
    «Ich denke, es wird alle hier freuen, zu erfahren, dass die internen Ermittlungen gegen diese Abteilung eingestellt worden sind.»
    Albrecht sah sie an.
    Sah sie an und bewegte sich nicht.
    Eingestellt?
    Ganz langsam wanderte sein Blick zu Irmtraud Wegner.
    Die Miene der dicken Frau war undurchschaubar.
    «Ich möchte Ihnen mein Lob aussprechen», erklärte die Polizeipräsidentin. «Sie alle sind im Verlauf dieses Falls bis an Ihre Grenzen gegangen. – Und darüber hinaus», fügte sie fast beiläufig an.
    Reden kann sie, dachte Albrecht. Die Spitze war unüberhörbar, und doch ebenso als reines Kompliment zu interpretieren.
    «Ich werde persönlich dafür Sorge tragen, dass Sie Ihre angefallenen Überstunden restlos abfeiern können», betonte die rothaarige Frau und wandte sich an Albrecht. «Wobei Ihnen, Herr Hauptkommissar, als Beamtem, der in Ausübung seines Dienstes verletzt wurde, selbstverständlich Sonderurlaub zusteht.»
    Der Hauptkommissar öffnete den Mund, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    «Ich habe bereits veranlasst, dass Ihnen ab Montag für sechs Wochen ein Platz in einem unserer Häuser zur Verfügung steht, die auf die … Aufarbeitung solcher … Erlebnisse spezialisiert sind.»
    Irrenanstalt!
    Klapsmühle!
    Stationäre Behandlung.
    Oder einfach: eines unserer Häuser.
    Albrecht wechselte einen Blick mit Wegner, die beinahe unmerklich die Schultern hob: Einen kleinen Triumph müssen Sie ihr eben gönnen.
    Er biss die Zähne zusammen.
    Ihm war klar, dass dieses
Haus
eher einer komfortablen Kurklinik gleichen würde.
    Doch für die Botschaft, die Isolde Lorentz ihm zukommen ließ, war es deutlich genug: Sie war es, die am längeren Hebel saß.
    Wie zufällig lehnte sich die Polizeipräsidentin über den Tisch und griff nach dem Hefter mit dem
Fleurs du Mal
-Vorgang.
    «Dieses Verfahren wird übrigens eingestellt», erklärte sie. «Es gibt einen Deal mit der Staatsanwaltschaft.»
    Ein Nicken in die Runde.
    «Liebe Kollegen: Weiter so!»
    Sie ging. Den Hefter nahm sie mit.
    Mit offenem Mund sah Albrecht ihr nach.
    ***
    Joachim hatte ernsthaft die Tapas-Bar in St. Georg vorgeschlagen, weil wir die schließlich beide kannten, doch das kam natürlich nicht in Frage.
    Nein, der Schwanenwik, eine kleine Parkanlage am Rande der Außenalster, war ideal. Neutraler Boden. Über das Wasser hinweg glaubte ich zwar das Gebäude in Rotherbaum zu erkennen, an dessen Spitze sein Penthouse thronte, traute mir aber zu, den Gedanken auszublenden.
    Fünfzehn Uhr an einem Tag Ende November. Die Luft roch nach Schnee.
    Am entgegengesetzten Ende der Rasenfläche, auf der sich vor ein paar Monaten noch die Sonnenanbeter geaalt hatten, kam er zwischen den Bäumen hervor, die Hände in den Taschen seines Mantels verborgen.
    Als er mich entdeckte, stoppte er kurz und ging dann langsam weiter.
    «Hallo, Hannah.»
    Derselbe Tonfall.
    War es derselbe?
    Ich sah ihm in die Augen – nicht zu lange.
So
sehr traute ich mir nun auch wieder nicht.
    «Danke, dass du gekommen bist», murmelte er.
    Er schlug die Augen nieder.
    Hätte ich mir nur sicher sein können, dass diese Zerknirschung echt war.
    Und? Der Gedanke kam mit einer halben Sekunde Verzögerung. Was wäre dann?
    Ich hob die Schultern. «Ich hab ein bisschen überlegt, aber: warum nicht?»
    «Ja …», sagte er leise. «Warum nicht.»
    Wir standen uns gegenüber. Mit

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