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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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durch das Unterholz zurück in Richtung des Feuers.
    Das ist kein Lagerfeuer. Sie brennen das Haus des Colonels nieder.
    Immerhin frierst du jetzt nicht mehr.
    Mein schweißnasser Körper kühlt langsam aus. Ich pfeife nach Fee und warte. Jetzt höre ich das Krachen des brennenden Hauses.
    Das brennende Haus.
    Das Schießpulver.
    Was ist, wenn sie nicht alles aus dem Keller geholt haben?
    LIV
    Sie müssen es weggebracht haben. Bestimmt haben sie es weggebracht. Sonst hätte es schon eine Explosion gegeben. Und zwar eine viel größere als in der Schlacht gegen die Homelander. Nein, sie müssen es gefunden haben. Sie haben sich nicht auf die mühevolle Suche danach begeben, nur um es dann in die Luft zu jagen.
    Fee knabbert an meinem Ohr.
    Ich überlege verzweifelt, wie ich dich retten könnte. Aber was soll ich tun? Alle sind nun gewarnt.
    Mithilfe eines tiefhängenden Asts klettere ich auf Fees Rücken.
    Ich kann dich heute Nacht nicht retten. Für heute muss ich dich den Männern überlassen.
    Ich tätschele Fees Hals. Bring mich nach Hause, Mädchen. Ich muss es ihr nicht sagen. Sie nimmt Witterung auf, riecht das Feuer und wendet sich dann in die andere Richtung, der steilen Felswand zu. Ich klammere mich an ihrer Mähne fest und schmiege meinen Kopf an ihren Hals.
    LV
    Zum Glück kann ich den gefährlichen Steilweg in der Dunkelheit kaum sehen. Aber sie sieht ihn. Sie bringt mich aus dem Tal heraus und durchquert ohne Zögern den Fluss an einer flacheren Stelle, die ich im Dunkeln nicht erkenne. Ich schürze mein Kleid. Sicher läuft sie über die glitschigen Steine. Nicht einmal ihr Bauch wird nass. Am anderen Ufer schüttelt sie sich und bringt mich aus dem Wald heraus. Zwischen dem Dorf und deinem Haus erreichen wir die Straße. Sie bleibt erst stehen, als wir meine Scheune erreicht haben. Ich gleite von ihrem Rücken und bringe sie hinein.
    Io muht zufrieden.
    Ich striegele Fee lange, damit sie keine Erkältung davonträgt. Mein ganzer Körper schmerzt vor Müdigkeit und Kälte, aber ich bin ihr so dankbar, dass ich nicht noch einmal durch den Fluss schwimmen musste. Ich werfe frisches Stroh in Ios Verschlag und stelle Fee neben sie. Die beiden kuscheln sich aneinander und wärmen sich gegenseitig.
    LVI
    Es ist immer noch stockdunkel, aber die Dämmerung ist schon zu erahnen. Vor meinem inneren Auge sehe ich das brennende Haus des Colonels. Das sollte mein Rückzugort werden, meine Heimat. Jetzt bist du meine Heimat. Also muss ich dich befreien.
    Die Tür ist verschlossen.
    Ich versuche es noch einmal.
    Mutter steht am Fenster. Als sie mich sieht, schließt sie die Fensterläden.
    Ich rüttele an der Klinke.
    »Bitte!«, schreie ich. »Lass mich rein!«
    »Du wohnst hier nicht mehr.« Mutters Stimme wird vom dicken Holz der Tür verschluckt. Vater hat unser Haus damals solide gebaut.
    Nicht so. Nicht jetzt. Ich blicke an mir hinunter. Meine Kleider sind schmutzig, mein Körper schmerzt. »Nur noch einmal«, bettele ich. »Lass mich noch einmal rein. Dann komme ich nie wieder zurück.«
    »Geh zurück zu dem Kerl, den du so dringend brauchst, und schau, ob er dich einlässt.«
    Kalt, erschöpft und voller Todesangst werde ich von der eigenen Mutter abgewiesen. Das ist zu viel für mich. Tränen steigen mir in die Augen. Ich schluchze.
    »Hab doch Mitleid für die eigene Tochter!« Ich schlage an die Tür. »Hilf mir, Mutter!«
    Ich höre Darrels Stimme, aber ich verstehe nicht, was er sagt. Mutter antwortet etwas, das ihn zum Schweigen bringt.
    Dunkel und still ist das Haus. Hier, wo ich schöne Zeiten mit Vater und Mutter erlebt habe, hat meine Not kein Zuhause.
    Ich gehe.
    Ich nehme Abschied von meinem Elternhaus.
    Ein letztes Mal gehe ich in die Scheune, streichle Io und bringe Fee nach draußen. Sie protestiert wiehernd, sie hatte es sich gerade gemütlich gemacht. Aber sie folgt mir bis zu deiner Scheune, wo wir uns beide auf Stroh betten.
    Erst in diesem Augenblick fällt mir dein Maultier ein. Hoffentlich findet es allein nach Hause. Ich kann ihm jetzt nicht helfen.

V IERTES B UCH
    I
    Lärm weckt mich. Die Kirchenglocken läuten Alarm, rufen das ganze Dorf zusammen. Homelander? Ich reibe mir die Augen.
    Es ist schon Morgen. Ich habe meine Haushaltspflichten nicht erledig.
    Noch immer läuten die Glocken.
    Ich liege in deiner Scheune. Jip hat sich neben mir zusammengerollt.
    Jetzt fällt mir alles wieder ein.
    Ich springe auf. Meine Beine sind mit blauen Flecken übersät und wollen mich nicht tragen.

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