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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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dein Maultier und die Schafe kümmern.
    Ich bleibe so lange ich den Mut dazu habe und hoffe auf deine Rückkehr noch in dieser Nacht. Aber irgendwann treiben mich Kälte und Dunkelheit nach Hause. Vielleicht verbringst du die Nacht in der Hütte deines Vaters. Ob das klug ist? Deine Abwesenheit könnte jemandem auffallen.
    XLVII
    Als ich nach Hause komme, sitzt Rupert Gillis bei uns am Tisch, trinkt Bier und versucht, Darrel in ein Gespräch zu verwickeln. Mutter ignoriert ihn natürlich und werkelt unbeirrt in der Küche. Ich kann nicht so tun, als hätte ich Gillis nicht gesehen. Also gehe ich hinein. Mutters Gesichtsausdruck verändert sich.
    »Ah! Tochter!«, ruft sie. Darrel und ich staunen. »Zurück von der Arbeit. Wie fleißig du bist.«
    Noch im Mantel setze ich mich entgeistert hin.
    »Komm, Darrel«, fährt Mutter fort. »Es ist Zeit, dass du ein bisschen Bewegung an der frischen Luft bekommst. Ich helfe dir in die Scheune. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Darrel protestiert, aber Mutter zerrt ihn zur Tür. Er sieht mich an.
    Lass mich nicht allein!
    Er hat keine Wahl.
    Die Tür fällt hinter den beiden ins Schloss.
    »Die Liebe einer Mutter zu ihrer Tochter ist etwas Zartes und Schönes«, sagt Gillis.
    Ich weigere mich, ihn anzusehen.
    »Ihre Liebe lässt sie gegen jede Vernunft hoffen, dass ich dir den Hof machen werde.«
    Die Stille ist zäh wie kalter Sirup.
    Der Lehrer setzt sich direkt vor mich. Ich schlage die Augen nieder.
    »Aber du hoffst bestimmt auf einen anderen Interessenten. Diese Hoffnung ist noch absurder als die deiner Mutter.«
    Er schiebt sein Gesicht in mein Blickfeld. Ich schließe die Augen. »Lucas Whiting würde dich nie heiraten.« Er lacht und wird wieder ernst. »Ich könnte eine ehrbare Frau aus dir machen. Schweigen habe ich schon immer für eine weibliche Tugend gehalten.«
    Ich beiße die Zähne zusammen. Ich werde ihn nicht ansehen.
    »Ich habe ein gemütliches Haus. Deine närrischen Hoffnungen sollten deiner einzigen Chance auf eine respektable Stellung nicht im Wege stehen.«
    Er wartet darauf, dass ich meine Meinung ändere. Ich gehe ans Feuer und drehe ihm den Rücken zu.
    Jetzt ist er wütend. Er steht auf und reißt mich am Arm herum, sodass ich ihn ansehen muss.
    »Wenn du glaubst, unser Kriegsheld würde sich je mit einer bereits benutzten Stummen zufriedengeben, bist du eine Närrin.«
    Seine Worte schmerzen. Tränen steigen mir in die Aug en. Ich hoffe, er merkt es im Halbdunkel nicht.
    »Aber das ist jetzt egal. Der Kriegsheld wird bald fallen.«
    Ich öffne die Augen.
    Er sieht mich triumphierend an.
    »Weißt du, wo er jetzt ist? Vielleicht hat er dir erzählt, dass er sich auf die Suche nach der Hütte seines Vaters machen will, bevor der Suchtrupp in ein paar Tagen aufbricht.« Er lacht wieder. »Vertraulichkeiten. Wie charmant. Dein Geliebter ist noch dümmer als du.«
    Ich kann es nicht verhindern. Ich sehe ihn an und er genießt es grausam.
    »Das war eine Falle. Sie wollten, dass er von der Expedition erfährt, um herauszufinden, was er dann tun würde. Und als er heute früh aufbrach, folgten sie ihm. Inzwischen hat er sie bestimmt zu Colonel Whitings Versteck geführt.«
    Oh, Lucas! Bitte, Fee, verlauf dich im Wald, geh nicht zu deinem alten Zuhause!
    Ich kann meine Panik nicht verbergen. Rupert Gillis genießt es. Er konnte mich nicht verführen, also will er mich jetzt verletzen.
    Geräuschvoll nimmt er einen Schluck Bier. Es ist Mutters bestes, sie hebt es für besondere Anlässe auf. Er leckt sich die Lippen.
    »Ich weiß nicht, was sie ihm antun werden, wenn sie ihn erwischen.«
    In seinem Bier steigen Blasen auf.
    »Oder was sie ihm schon angetan haben.«
    Von draußen sind Geräusche zu hören. Darrel und Mutter kommen herein. Sie lächelt gezwungen.
    »Möchten Sie zum Abendessen bleiben, Mr. Gillis?«
    »Danke, nein.« Er stellt den Becher weg. »Ich bin schon zu lange hier. Miss Finch.« Mit einer kleinen Verbeugung verabschiedet er sich.
    XLVIII
    Wieder einmal warte ich darauf, dass Mutter und Darrel einschlafen. Leise ziehe ich mich an und schleiche hinaus. Hoffentlich wartet dort nicht der Eindringling, der sich nachts an unserem Haus herumgetrieben hat.
    Im Dunkeln kann ich den Fluss nicht allein überqueren. Die Schneeschmelze hat den Pegel zu stark angehoben. Du hast mein Pferd, also nehme ich dein Maultier. Aus unserer Scheune hole ich Äpfel, um das störrische Tier zu überzeugen.
    Ich zäume es auf und binde es an den Zaun, damit

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