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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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gemeinsam in den Fluss.
    Ich war damals zwölf und du warst ein dürrer, zu klein gewachsener Sechzehnjähriger.
    XXXVI
    An dem Abend, an dem ich durch den Wald zurück nach Hause stolperte, lag die Sommerdämmerung sanft und blau über dem Bretterzaun, den Feldern und den Hügeln in der Ferne. Ich hätte nie gedacht, das noch einmal sehen zu können.
    Darrel war immer noch ein Junge, aber er war größer geworden. Er sah mich als Erster und schrie. Mutter kam aus dem Haus gerannt, wischte sich die Hände ab, schürzte ihr Kleid und rannte auf mich zu. Sie rief meinen Namen.
    Wir prallten förmlich aufeinander. Sie umklammerte mich und strich mit den Händen über meinen ganzen Körper.
    Dann nahm sie mein Gesicht in ihre Hände.
    Beim Weinen verkrampfte sich ihr Mund. »Du bist zurückgekommen. Gott im Himmel. Du bist zurückgekommen.«
    Ich löste den Blick nicht von ihrem Gesicht und sog ihren feuchten Sommergeruch ein.
    »Wo warst du, Kind?«
    Entgegen dem, was ich mir vorgenommen hatte, öffneten sich meine Lippen. Ich presste sie wieder zusammen.
    »Red mit mir.«
    »Knn nch.«
    Obwohl sie noch weinte, wurden ihre Augen eisig. Sie drückte meinen Kopf nach hinten. Ihre starken Finger umklammerten meinen Kiefer.
    Dann schrie sie auf und ließ mich endlich los. Mein Kopf fiel nach vorn. Ich richtete mich auf.
    Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, rund wie der Sommermond.
    XXXVII
    Ich glaube nicht an Wunder. Er hatte gesagt, ihm sei die Jungfrau Maria erschienen und habe ihm verboten, es zu tun oder mich zu töten.
    Mutter hätte das als schändliche, papistische Äußerung bezeichnet.
    In diesem Moment schnitt er mich.
    XXXVIII
    Der Sommer, in dem du bei uns lebtest, neigte sich schon dem Ende zu, als ich einmal am Fluss saß und nacheinander die Blätter einer Blüte abzupfte. Ich ließ sie einzeln in die Strudel fallen.
    Gerade hatte ich auch den Stiel ins Wasser geworfen und nur noch Gras in den Händen. Da kamst du mit einem Blumenstrauß.
    »Es scheint, als ginge dir der Nachschub aus.«
    Ich lachte und vergrub die Nase im Strauß. »Setz dich zu mir, wenn du magst«, sagte ich. »Die Blumen reichen für uns beide.«
    In diesem Moment hast du gelächelt. Grünes Sonnenlicht drang durch die Zweige meiner Weide und tanzte auf deinem Gesicht. Ich sah dich zum ersten Mal wieder lachen, seit das Feuer dein Haus niedergebrannt hatte und du mutterseelenallein auf der Welt zurückgeblieben warst.
    Ich beobachtete etwas zu lange das Sonnenlicht auf deinem Gesicht. Du wurdest rot, setztest dich zu mir und begannst, Blütenblätter zu zupfen und sie in den Fluss zu werfen.
    Als wir alle Blüten von ihren Blättern befreit hatten, schauten wir ins Wasser. Du nahmst meine Hand. Das hätte mich vielleicht überraschen müssen – aber mit dir dort zu sitzen fühlte sich einfach nur friedlich an. Die Weidenzweige strichen sanft wie Federn über unsere Köpfe und der Fluss strömte endlos Richtung Meer.
    XXXIX
    Östlich des Dorfs pflücke ich wilde Trauben. Das Messer gleitet durch die holzigen Rispen; beinahe schneide ich mir in den Finger. Du gehörst noch nicht Maria, also will ich dir ein paar Trauben in einer Schüssel auf die Veranda stellen. Nein, ich will mutig sein und sie sogar ins Haus bringen. Das wird mein Abschiedsgeschenk für dich, solange es noch geht, und wird dir ein schönes Rätsel aufgeben.
    Es interessiert mich nicht, ob manche so etwas schockierend finden. Ich bin schockierend. Was mir angetan wurde, ist schockierend. Ich bewege mich für immer außerhalb aller Grenzen, außerhalb dessen, was sich gehört. Ich werde dir die Trauben ins Haus bringen.
    Doch meine Pläne werden durchkreuzt. Ich höre Hufschlag und ducke mich tief ins Gras. Clyde Aldrus galoppiert auf dem Pferd vorbei, das sonst am Wachposten weidet. Er hat sich tief in den Sattel gebeugt und treibt das Tier an. Sein Gesicht ist voller Angst.
    XL
    Warnend läuten die Kirchenglocken und rufen die Dorfbewohner dazu auf, alles stehen und liegen zu lassen und sofort zu kommen. Völlig außer Atem erreiche ich das Dorf; der Eimer schlägt mir ans Schienbein.
    Eine Gruppe Dorfbewohner steht um den Pranger auf dem Versammlungsplatz herum. Hier demütigen wir sonst unsere Sünder, doch jetzt steht Clyde Aldrus oben auf der Plattform und verkündet die Neuigkeiten.
    Am Horizont sind Schiffe zu sehen, etwa zwanzig Meilen östlich.
    Das hat der Kundschafter zu Captain Rush gesagt.
    Es sind drei Schiffe

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