Ich bin die Nacht
der seltenen Kombination einer irisch-amerikanischen Großmutter und einem japanischen Großvater, war rot angelaufen. Jim liebte ihren milchigen Teint, der ihn an feines Porzellan erinnerte. Und auch wenn er nie die richtigen Worte gefunden hatte, es Emily zu sagen, war er der glücklichste Mann auf Erden, weil er sie zur Frau hatte.
Jim rannen Tränen über die Wangen. Es brach ihm schier das Herz, seine Frau und seine kleine Tochter so hilflos und verängstigt zu sehen. Während er vor Wut zitterte, suchte Emily seine Aufmerksamkeit und bedeutete ihm mit einer Bewegung ihrer Augen, nach rechts zu schauen.
Jim folgte ihrem Blick.
Und schaute in die kalten grauen Augen eines Monstrums.
Die abgesägte Schrotflinte in der Hand, stand Ackerman auf und kam zu ihm. »Wurde auch Zeit, dass du aufwachst«, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter. »Wir hatten hier schon eine irre Pyjama-Party, Dad, aber jetzt kann der Spaß richtig losgehen.«
Ackerman trat hinter ihn und beugte sich nahe an sein Ohr. »Du hast eine richtig nette Familie, Jim. Du hast dir ein schönes Leben aufgebaut. Hübsches Haus, das süßeste kleine Mädchen, das ich je gesehen habe, und deine Frau … geil, absolut geil. Das meine ich nicht vulgär oder geschmacklos, Jim. Ich will damit nur sagen, dass sie umwerfend ist … das dunkle Haar und die helle Haut. Sie erinnert mich an die Filmstars aus den Dreißigern und Vierzigern, weißt du. Als die Welt noch schwarz-weiß war. Jedenfalls … ich will damit sagen, dass du ein sehr glückliches kleines Arschloch sein musst. Das bist du doch, oder?«
Jim biss die Zähne aufeinander und schüttelte sich vor Wut, gab aber keinen Laut von sich. Er wollte den Irren nicht reizen und in seinen perversen Fantasien befeuern. Deshalb saß er nur da und betete, dass seine Frau und seine Tochter lebend davonkamen. Was aus ihm selbst wurde, war ihm egal. Wenn er sterben musste, um sie zu retten, würde er diesen Weg gehen, aber er flehte Gott an, Emily und Ashley zu verschonen.
»Wie denkst du über den Tod, Jim? Glaubst du, dass unser Leben vor unseren Augen vorbeizieht, wenn wir sterben? Dass wir im letzten Moment unserer irdischen Existenz alles noch einmal erleben? Glaubst du an diese Geschichte mit dem Licht am Ende des Tunnels? Nein? Und was ist mit den spirituellen Aspekten? Glaubst, dass deine kleine Familie in den Himmel kommt, nachdem ich sie getötet habe?«
Jim konnte seine Wut nicht mehr bezwingen. Keinen Augenblick länger wollte er sich die Gedanken dieses wahnsinnigen Schlächters anhören. Er stemmte sich gegen die Fesseln und brüllte aus vollem Halse, schrie seinen Hass und seine Qual heraus. Er konnte die Empfindungen, die in ihm brannten wie das Feuer der Hölle, nicht in Worte fassen. Sein Schrei war älter als alle Wörter, primitiver, urtümlicher.
Irgendwann verstummte er und lag keuchend da, voll brodelndem Hass und hilfloser Wut. Bei jedem Atemzug blähten sich seine Nasenflügel.
Ackerman klopfte ihm auf die Schulter. »Schon okay, Jim. Ich verstehe deinen Schmerz. Ich verstehe ihn gut, glaub mir.«
Jim fühlte sich geschlagen und hilflos, aber er musste stark sein, musste nachdenken. Doch er sah keinen Fluchtweg, keine Aussicht auf Rettung. Sie wohnten im Wald, niemand würde seine Schreie hören. Seine einzige Hoffnung war, dass man ihn vermisste. Ja, mittlerweile muss die Verstärkung an der Tankstelle sein. Sie werden Tom finden, und dann werden sie wissen, dass mir irgendwas passiert ist … Sie werden nach mir suchen, und früher oder später werden sie hier auftauchen.
Aber wie lange würde das dauern? Wie viel Zeit war bereits vergangen?
Er musste den Killer hinhalten, musste ihn dazu bringen, dass er weiterredete.
»Warum … warum tun Sie das?«, fragte er.
Ackerman kniff die Augen zusammen. »Warum? Das haben wir doch längst besprochen. Schon vergessen? Das Warum spielt keine Rolle. Hast du schon mal von der Zehn-zu-Neunzig-Regel gehört? Sie besagt, dass das Leben zu zehn Prozent aus dem besteht, was uns widerfährt, und zu neunzig Prozent aus unserer Reaktion darauf. Das ist das Entscheidende. Die Frage, wieso dir und deiner Familie dies und das passiert, ist unerheblich. Alle jammern ständig: ›Warum ich, warum passiert das gerade mir?‹ Die Leute glauben, es wäre das Ende der Welt, wenn ihr Vierzigtausenddollarauto nicht mehr anspringt und sie nicht zu ihrem gemütlichen Schreibtischjob kommen, der ihrer Familie den Jahresurlaub auf Hawaii sichert.
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