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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Prolog
    Tina Cogin verstand es, aus dem wenigen, das sie hatte, das Beste zu machen. Dieses Talent war ihr angeboren.
    Mehrere Stockwerke über dem dumpfen Dröhnen des nächtlichen Verkehrs bewegte sich ihre nackte Silhouette faunisch über die Wände des halbdunklen Zimmers, und sie beobachtete lächelnd, wie jede ihrer Bewegungen den Schattenriß veränderte, so daß immer neue Formen von Schwarz und Weiß entstanden, wie bei einem Rorschach-Test. Und was für ein Test, dachte sie, während sie eine Geste lockender Verheißung mimte. Was für ein Anblick für irgendeinen Psycho!
    Erheitert über ihre Begabung zur Selbstironisierung, trat sie zur Kommode und musterte verliebt ihren Bestand an Dessous. Um den Genuß zu verlängern, zögerte sie wie unschlüssig, ehe sie ein auffallendes Ensemble aus schwarzer Seide und Spitzen herausnahm. Büstenhalter und Höschen, ein französisches Modell, raffiniert geschnitten und unauffällig ausgepolstert. Sie legte beides an. Ihre Finger erschienen ihr ungeschickt, den Umgang mit so zarten Wäschestücken zu wenig gewöhnt.
    Sie begann leise zu summen, ohne erkennbare Melodie: Ausdruck ihrer Vorfreude auf den Abend, auf drei Tage und Nächte uneingeschränkter Freiheit und das erregende Abenteuer, die Straßen Londons unsicher zu machen, ohne genau zu wissen, was diese milden Sommernächte bringen würden. Sie schob einen langen lackierten Fingernagel unter den Klebeverschluß einer Strumpfpackung, aber als sie die Strümpfe herausschüttelte, blieben sie an ihrer Hand hängen, deren Haut rauher war, als sie sich gern eingestand. Das Material zog Fäden. Sie fluchte einmal kurz, löste den Strumpf von ihrer Haut und untersuchte den Schaden, ein kleines Loch, aus dem eine Laufmasche werden konnte, hoch oben am Innenschenkel. Sie mußte noch vorsichtiger sein.
    Den Blick auf ihre Beine gesenkt, zog sie die Strümpfe hoch und seufzte voll Behagen. Das Material glitt so leicht über ihre Haut. Sie liebte dieses Gefühl - wie die Zärtlichkeiten eines Liebhabers - und strich genüßlich mit den Händen von den Fesseln über die Waden und Oberschenkel bis zu den Hüften hinauf. Straff, dachte sie, schön. Und hielt inne, um ihren Körper im Spiegel zu bewundern, ehe sie einen schwarzen Seidenunterrock aus der Kommode zog.
    Das Kleid, das sie aus dem Schrank nahm, war schwarz, mit hohem Kragen und langen Ärmeln. Sie hatte es einzig gekauft, weil es sich wie flüssige Nacht um ihren Körper schmiegte. In der Taille war es mit einem Gürtel zusammengenommen, auf dem Oberteil glitzerte jettschwarze Perlenstickerei. Sie hatte es in Knightsbridge gekauft und hatte soviel Geld dafür hingelegt - ganz abgesehen von all ihren anderen Ausgaben -, daß sie sich nun für den Rest des Sommers den Luxus, mit dem Taxi zu fahren, nicht mehr leisten konnte. Aber eigentlich machte das nichts. Tina wußte, daß es Dinge gab, die sich letzten Endes immer bezahlt machten.
    Sie schob die Füße in die schwarzen hochhackigen Pumps, dann erst schaltete sie endlich die Lampe neben der Bettcouch ein. Ins Licht sprang ein einfaches Ein-Zimmer-Apartment, das den unbezahlbaren Luxus eines eigenen Badezimmers bot. Bei ihrem ersten Besuch in London damals - frisch verheiratet und auf der Suche nach einem Rückzugsort - hatte sie den Fehler begangen, ein Zimmer in der Edgware Road zu nehmen, wo sie sich das Bad mit einer ganzen Etage grinsender Griechen hatte teilen müssen, die sämtlich an jeder kleinsten Verrichtung ihrer täglichen Toilette begierig Anteil genommen hatten. Nach dieser Erfahrung hätte nichts sie mehr dazu bewegen können, das Badezimmer mit einer anderen Person zu teilen, auch wenn die zusätzlichen Kosten für ein eigenes Bad zunächst eine beträchtliche Zusatzbelastung bildeten.
    Sie prüfte noch einmal kritisch ihr Make-up und fand alles in Ordnung: die Augen so geschminkt, daß ihre Farbe betont und ihre Form korrigiert wurde, die Brauen zum Bogen gebürstet und nachgezogen; die Wangenknochen kunstvoll mit Rouge bestäubt, um die Linien des kantigen Gesichts weicher zu machen; die Lippen mit Stift und Pinsel konturiert, um ihnen die Schwellung sinnlicher Verlockung zu geben. Sie schüttelte ihr Haar aus, das so schwarz war wie ihr Kleid, und bauschte ein wenig die feinen Fransen, die ihr in die Stirn fielen. Sie lächelte. Nicht übel. Nein, weiß Gott, nicht übel.
    Mit einem letzten Blick durch das Zimmer nahm sie die schwarze Handtasche, die sie auf das Bett geworfen hatte, und

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