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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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fällt verzweifelt ins Klischee.
    Haller schüttelt den Kopf, dann sagt er: „Wenn ich einen befrage, hat der schon einen Namen parat. Wenn ich aber dann nachhake, merke ich bald, dass da eine private Rechnung aufgemacht wird. Wenn wir solchen Sachen nachgehen, verrennen wir uns völlig, und am Schluss mauern sie alle.“
    Der Polizeioberrat nickt zustimmend. Nach einer langen Pause sagt er: „Wieso sind Sie sich eigentlich so sicher, dass es einer aus dem Dorf gewesen ist?“
    Haller kratzt zwischen seinen grauen Resthaaren mit dem Daumennagel, dass es aussieht, als flattere ein Vogel auf seinem Kopf, den der Leim dort festhält.
    „Sicher ist gar nichts, aber in so einem Dorf muss ein Fremder auffallen, ein Fremder kann nicht so mir nichts dir nichts eine Frau ermorden und danach in aller Seelenruhe in sein Auto steigen und abfahren.“ Haller bringt auf dem Schreibtisch des Chefs ein paar Blätter auf Fluchtlinie, lässt den Vogel wieder flattern und sagt wie für sich: „Wir müssen aufpassen, dass nicht einer durchdreht, weil er glaubt, die anderen halten ihn für den Mörder.“
    Im Rathaus sitzt die Schirrer im Zimmer des Bürgermeisters. Sie besteht darauf, mit dem Kommissar allein zu sprechen, es müsse auch sichergestellt sein, dass niemand sie belauschen könne. Haller weiß, dass das Zimmer des Bürgermeisters eine doppelte Tür hat, deren innerer Teil zusätzlich mit einem Dämmstoff versehen ist, überzogen mit dunkelrotem abgestepptem Leder, da kann er die Frau beruhigen.
    Sie will sich nicht setzen, schaut immer wieder zur Tür, hat ihr Kopftuch tief in die Stirn gezogen, dreht ein Taschentuch in den Händen.
    „Sie sagen niemand, dass ich bei Ihnen war, schon gar nicht meinem Mann.“
    „Ja, selbstverständlich, aber setzen Sie sich doch.“
    „Ich weiß nicht, ob ich´s Ihnen sagen soll, es ist alles so verrückt.“
    Haller sagt nichts, bewegt sich nicht, atmet so flach er kann. Sie wringt das Taschentuch, schluckt, fast hörbar, ihre Erregung, ihre Angst hinunter, ihre Scham. Sie weiß, dass sie Verrat an ihrem Mann begeht, weil sie das Ungeheuerliche, das Undenkbare denkt. Haller spürt den Krampf in der Wade kommen, lange kann er die Erstarrung nicht mehr durchhalten.
    „Herr Kommissar“, sagt sie endlich, ihre Stimme ist brüchig, „Herr Kommissar, mein Mann –“
    Jetzt überfällt ihn der Krampf, er kann die Frau nicht aufhalten, die schon die innere Tür geöffnet hat, die zweite aufreißt und davonrennt.
    Die Gerichtsmediziner haben inzwischen festgestellt: keine Vergewaltigung. Das macht die Sache nicht leichter. Haller zieht eine Zwischenbilanz: keine Sexualtat, kein Raubmord, kein Lustmord, dafür wäre N.O. allein zu wenig, kein Ehedrama, was also? Ein Irrer, ja, aber der müsste von außerhalb gekommen sein und das hält Haller nach Lage der Dinge für ausgeschlossen. Er hat sich nämlich kundig gemacht, im Dorf ist noch nie einer in dieser Richtung auffällig geworden, auch ist noch keiner in der Anstalt gewesen. Also ein eiskalter Killer, der sich etwas beweisen muss, einer, der sein Werk signiert, ein Künstler.
    Der Kollege Heilmann sagt, nachdem er die BILD -
Mörderdorf im Ausnahmezustand
- gelesen hat: „Als Schwob dät i sage, N.O., des hoißt: no oine!“ Er will über seinen eigenen Witz lachen, lässt es aber sein, als er Haller anschaut. Der denkt an den nächsten Donnerstag, heute ist Freitag, viel Zeit bleibt nicht. Nächsten Donnerstag ist wieder Vollmond, der Mörderkünstler schafft sein Werk immer bei Vollmond, bisher jedenfalls, und Haller ist fest davon überzeugt, dass dies kein Zufall ist. Heilmann weiß das auch und macht trotzdem seine blöden Witze, ich hasse ihn.
    Weil sie schon lange miteinander arbeiten und beide, danach gefragt, sagen, dass sie ein gutes Team sind, weiß Heilmann, dass er jetzt irgendetwas Produktives ablassen muss. Also sagt er, im Ernst: „Vielleicht heißt es ja Nord-Ost, vielleicht lebt der Kerl im Nordosten von dem Kaff.“
    Ohne darauf zu reagieren, geht Haller an den hochkopierten Ortsplan, den er an die Wand gepinnt und mit verschiedenfarbigen Stecknadeln gespickt hat, zwei schwarzen, etlichen gelben und roten. So sehr er sich auch anstrengt, es gelingt ihm nicht, eine Struktur zu erkennen. Die Gelben verdächtigen die Roten, die als Rote die Gelben als Täter anschwärzen, die dann ihrerseits als rote Stecknadelköpfe erscheinen. Die schwarzen Nadeln liegen auf einer klaren Ost-West-Achse.
    Haller greift nach jedem

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