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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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Dorf hat Abitur?“ Aber er verwirft diesen Gedanken gleich wieder und sagt mehr zu sich als zu Heilmann: „Man kann ja auch spinnen.“
    In der Nacht spinnt er dann doch. Da ist einer, der es nicht geschafft hat, einer, der zwischen zwei Sprossen eingeklemmt ist, der nicht weiter, aber auch nicht zurück kann, einer, dem sie den Ausbruch in höhere Gefilde nie verziehen haben, dem sie den Absturz gegönnt hätten, den aber hat er bisher vermeiden können um den Preis der völligen Unbeweglichkeit, einer, der sich, gemessen an dem, was er hätte erreichen können, als ein Niemand (lat. Nemo) vorkommt, ein NemO.
    Nach dieser Nacht hat Haller einen schweren Kopf, wie zugeballert von Schnaps und Bier. Er trinkt einen Kaffee, schwarz wie ein Mord, und zieht sich eine Zigarette nach der anderen rein, er weiß, dass er sich ruiniert, aber er weiß auch, dass ihm nicht viel Zeit bleibt bis zum Vollmond, bis der Mörder wieder zuschlägt.
    „Ich hab drüber nachgedacht“, sagt er zu Heilmann, „das mit dem NemO ist gar nicht zu blöd. Also suchen wir A nach einem, der auf dem Gymnasium gewesen ist und Latein gelernt hat, und B nach einem, der ortsbekannt ist als Depressiver. Vielleicht hat sogar mal einer einen Selbstmordversuch versucht.“
    Heilmann ist stolz und sagt: „ A und B könnten ja zusammengehen.“
    Das Ergebnis ihrer Recherchen ist mager. Im Raster ist Anton Haidinger hängen geblieben: 42 Jahre, nicht verheiratet, Abgang vom Gymnasium nach er 11.Klasse, Verwaltungslehre, Sachbearbeiter bei einer Krankenversicherung, zur Zeit arbeitslos, beginnt zu verwahrlosen.
    „Mir ist alles egal“, hat er zu Heilmann gesagt, „führen Sie mich ruhig ab, ich gestehe alles, was Sie wollen. Schade nur, dass wir keine Todesstrafe mehr haben.“
    „Oh Gott“, stöhnt Haller, „und weiter?“
    „Nichts.“ Heilmann klingt nicht gut, „ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein kaputter Typ sich zu einem Mord aufraffen kann.“
    „Also Fehlanzeige?“, fragt Haller.
    „Trotzdem“, sagt Heilmann, „wir sollten uns den noch mal genauer vornehmen, einer mit einem Minderwertigkeitskomplex ist immer gefährlich.“
    „Ja, ja, ja“, Haller unterbricht ihn, „jetzt bloß keine Lehrstunde in Kriminalpsychologie. Kompensation, narzisstische Selbsterhöhung und so weiter, blabla. Heilmann, wir sind hier nicht auf der Polizeischule, wir sind hier, um den nächsten Mord zu verhindern.“
    Gegen Ende hin ist Haller immer lauter geworden. Er zeigt Nerven, denkt Heilmann und versteht das als Ansporn für sich. Er sagt schließlich: „O.k., ich geh noch mal zum Haidinger.“
    „Also, das ist so gewesen, immer hab ich die Weiber beobachtet, wie sie gehen, wie ihre Ärsche schreien: Fass mich, pack mich, treib dich zwischen meine Backen, schieb mich durchs Dorf!“
    Haidinger ist aufgestanden und unterstreicht mit heftigen Bewegungen, was er sagt. Im äußersten Mundwinkel schäumt es weißlich.
    „Und dann hab ich mir die Ingrid gegriffen, Hose runter und dann das: ein Arsch, breit wie sonst was, da hab ich ihr den Hals abbrechen müssen. Sagen Sie selbst, was hätten Sie getan an meiner Stelle?“
    Pause.
    „Aber erst mal Prost, Herr Kommissar.“ Er öffnet die zweite Bierflasche, das Käpselchen klimpert auf dem Tisch, er schenkt in ein hochstieliges Pilsglas ein, seinem Gast bietet er nichts an. Er hat einen guten Zug, wie alle Alkoholiker, denkt Heilmann, und eine verschwommene Wahrnehmung der Wirklichkeit, sonst hätte er doch gewusst, dass die Ingrid W. nicht erwürgt, sondern erstochen worden ist. Er hat die beiden Frauen durcheinander gebracht, erwürgt wurde die Hilde A.
    „Prost“, sagt Heilmann, steht auf und geht aus dem Zimmer.
    „Und?“, fragt Haller.
    „Nichts“, sagt Heilmann, der Kerl ist gestandener Alkoholiker, der ist froh, wenn er sich noch auf den Beinen halten kann.
    „Und jetzt?“, fragt Haller.
    Heilmann zuckt mit den Schultern: „Ich weiß bloß, dass übermorgen Vollmond ist.“
    „Danke für diese Information!“ Der Sarkasmus in Hallers Stimme ist nicht zu überhören. „Uns bleibt nur der Appell an alle Frauen, sich in dieser Nacht einzuschließen, der Vater oder der Ehemann sollte als Schutz zu Hause sein.“
    Man weiß ja, dass Ehemänner gerne ihre Frauen umbringen und Väter ihre Töchter schänden, will Heilmann sagen, lässt es aber lieber sein angesichts der ohnehin aufs Äußerste angespannten Situation. „Auf jeden Fall müssen unsere Leute aufgestockt werden“, sagt er.

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