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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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Haller nickt.
    Am Morgen danach, nach der Vollmondnacht, wird keine Tote gemeldet, alle atmen auf, die Serie ist durchbrochen. Haller aber gibt noch keine Entwarnung: „Der Täter ist unberechenbar, der Vollmond könnte Zufall gewesen sein.“
    Am Tag darauf erscheint eine aufwändige junge Frau auf dem Rathaus, ihre Kollegin Sabine M. sei gestern und heute nicht zur Arbeit erschienen, am Telefon habe sie sich nicht gemeldet, auf Klingeln an ihrer Wohnungstür habe sich nichts gerührt, sie sei deshalb in großer Sorge.
    Man öffnet die Tür gewaltsam, im Schlafzimmer liegt Sabine M. auf ihrem Bett, nackt, auf dem Gesäß N0.
    „Nein“, schreien Haller und Heilmann wie aus einem Mund, „nein, nein, nein!“ Dann sagt keiner mehr etwas. Das dauert. Plötzlich schlägt sich Haller mit der flachen Hand gegen die Stirn, dass es wehtut. „NO heißt No!“ sagt er, „Ganz schlicht und einfach: ‚Nein‘.“ Deshalb hat er die Frauen auch nicht vergewaltigt, no, so was tut man nicht, no, Herrgott, ein total Verrückter.
    „Und – was hilft uns das weiter?“, fragt Heilmann zögerlich und so trocken, dass man jedes Wort hätte anzünden können. Dann aber ruft er die Nummern der letzten Telefonate ab, die Sabine M. erreicht haben, ihn interessieren nur die ankommenden Ortsgespräche. Es ist nur eins, die Nummer kommt ihm bekannt vor. Es dauert nur einen Augenblick, dann hat er es, die Nummer von Haidinger. Also doch, denkt er, und wir Idioten haben es nicht gemerkt.
    Haidinger öffnet, das Bierglas in der Hand: „Prost, meine Herren, hereinspaziert. Jetzt kommen Sie zu spät, ich hab´s Ihnen aber gesagt, und Sie haben mir nicht geglaubt. Ein Anton Haidinger lügt nicht, niemals, ein Haidinger hat noch nie gelogen und ein Haidinger wird niemals lügen, ein Haidinger liebt die veritas.“
    Später gibt er zu Protokoll und unterschreibt:
    „Ich habe es tun müssen. Ich habe im vollen Mond immer das Bild des nackten weißen Hinterteils einer schönen, einer makellosen Frau gesehen, mit der ich ganz allein bin, über die ich verfügen kann, dann komme ich zum Orgasmus. Über Jahre hat mir das genügt, dann aber wollte ich den ganz großen, den echten, den kosmischen Orgasmus. Also, Vollmond und der nackte Hintern einer Frau, der ihm gleichkommt - und dann diese Enttäuschungen. Der Künstler in mir war nicht zurückzuhalten, der Künstler war außer sich und hat zugestochen und gewürgt.“
    Auf Einwände, die die geschraubten Formulierungen betreffen, reagiert Haidinger sehr ungehalten, er könne nur unterschreiben, was er als Haidinger und Künstler billigen könne, wenn die Sprache nicht seine sein dürfe, dann werde er kein Wort mehr sagen. Die Beamten drehen die Augäpfel in die oberen Lider und nicken stumm ihre Zustimmung.
    „Immer habe ich das Ideal gesucht und nie gefunden. Dabei weiß ich, dass es das Ideale gibt und dass ich es finden muss. Das Ideale ist das Dauerhafte, das Ewige. Der Vollmond gibt mir eine Ahnung davon. Vielleicht war es ein Fehler, ausgerechnet in der Frau, im Arsch (Haidinger bestand auf diesem Wort, weil alles andere nur schwächliches Surrogat sei, auch auf „Surrogat“ wollte er nicht verzichten) der Frau das Ideal zu suchen, ja, es war ein Fehler. Endliches kann nicht Ideal sein, und was ist endlicher als ein weißer Frauenarsch? Zum Alkohol möchte ich bemerken, dass nicht ich, sondern der Alkoholiker das Bier und den Schnaps getrunken hat.“
    Anton Haidinger unterschreibt und wird dann in seine Zelle verbracht. Dort findet man ihn am anderen Morgen, aufgehängt am Fenstergriff, die Augen sind ihm hervorgequollen, die Zunge hat er herausgestreckt. Aus mehreren Bahnen herausgerissenen Bettzeugs hat er sich seinen Strick gedreht. Auf dem Tisch liegt ein Blatt, darauf steht in schönen großen Lettern:
    DAS IDEAL UND DAS LEBEN
     (das hat er fett durchgestrichen)
    DAS IDEAL # DAS LEBEN
    DAS IDEAL = DER TOD

Schweigen
Harald Armin Massa
    Der Blick auf den Wecker gibt ihr Anlass zur Verwunderung: erst 8.30 Uhr, und sie ist wach, am ersten Urlaubstag, so wach, dass sie die Augen nicht wieder schließen und weiterschlafen kann. Sie hat gerade ihre Füße auf den Teppich gesetzt, sich den Morgenmantel vom Bügel genommen; dann, die Türglocke. Ein Blick aus dem Fenster: irgendjemand mit Blumen. Sie schlüpft in den Mantel, geht, um die Türe zu öffnen.
    Ein riesiger Strauß dunkelroter, blutroter Rosen.
    „Bitte den Empfang bestätigen“, in die Hand drückt ihr der Bote ein

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