Ich Bin Ein Schwein
Strohhalm, holt die Einwohnerliste und gibt sie Heilmann. Such mal die Männer, die in C-E, 2-4 wohnen.“
Nach einer halben Stunde bleiben übrig:
Reinhold Knoll, 43, Facharbeiter, verheiratet, keine Kinder
Fred Mutschler, 36, Schreiner, geschieden, eine Tochter, die bei der Mutter lebt
Ottfried Keller, pensionierter Postbeamter, 64, verwitwet.
Heilmann übernimmt Knoll und Mutschler, Haller den alten Keller, immerhin hat der ein O. Und dann, Briefträger kennen sich aus, die wissen alles, was im Dorf vorgeht.
Ein schwabbeliger Mann in Trainingshose und Doppelrippunterhemd öffnet. „Was wollen Sie von mir?“ Es klingt unfreundlich, unterlegt mit kaum zurückgehaltener Aggression.
„Darf ich reinkommen?“ Haller glaubt sich jetzt auf der richtigen Spur oder wenigstens auf einem Nebenpfad, der ihn dorthin führen wird. Ein harsches „Nein!“ versperrt ihm den Weg und bestärkt ihn in seiner Hoffnung.
„Wenn Sie jetzt nicht sprechen wollen, dann muss ich Sie eben vorladen lassen.“
Er merkt, wie der alte Mann zögert, die Tür ganz zuzumachen.
„Hier bei Ihnen können wir es doch ganz ohne Aufsehen erledigen.“
Das überzeugt, der Mann brummelt irgendetwas und lässt Haller eintreten. Auf der Mattscheibe flimmert Nacktes, am Vormittag kann das nur eine Kassette sein. Keller sucht die Fernbedienung, findet sie nicht, geht deshalb zum Gerät und drückt den Ausknopf, der Video schnurrt leise weiter. Auf dem Couchtisch liegen wüst durcheinander Kassetten, leere Bierdosen, zwei überquellende Aschenbecher, es stinkt bestialisch, ein Mix von schalem Bier, kaltem Rauch, Altmännerschweiß und Pisse. Haller fragt nicht, er geht zum Fenster und öffnet es, bemüht sich dabei, die Aggression nicht zu zeigen, die die aufkommende Übelkeit in ihm aufgebaut hat.
„Machen wir es kurz, Herr Keller, es ist reine Routine. Wo waren Sie am 24. Juli und am 23. August zwischen 23 und 2 Uhr?“
„Weiß ich nicht mehr“, sagt Keller und zündet sich eine Zigarette an.
„Sie müssen sich aber erinnern.“ Haller sagt es mit Nachdruck. „Es ist in Ihrem Interesse. Sie müssen doch wissen, wo Sie in der fraglichen Zeit gewesen sind, das ist doch nicht lange her.“
„Ich weiß es eben nicht, wahrscheinlich war ich wie immer hier in diesem Haus. Ich gehe kaum noch weg, einkaufen, ein Bier im Ochsen, sonst mache ich wenig, im Dorf gucken sie mich schon blöd an, weil ich meinen kleinen Garten brach liegen lasse.“
„Können Sie das beweisen, ich meine, dass Sie sich in der fraglichen Zeit in Ihrem Haus aufgehalten haben?“
Keller denkt nach, zündet sich wieder eine Zigarette an und bläst volle Lunge den Rauch in die Luft. Es dauert eine halbe Zigarette und eine Bierdose, bis er endlich sagt: „Am 24. Juli war ich bestimmt hier, die Annelie von gegenüber hat mir manchmal geholfen, am 24. hat sie mir verschiedene Knöpfe angenäht, sie ist dann noch zum Fernsehen dageblieben und dann ...“
Er unterbricht sich, Haller setzt nach, und dann?
„Nichts, dann war nichts mehr.“
„Wirklich nichts?“
Keller zögert. „Also gut, sie ist dann dageblieben.“
Das mit der Annelie lässt sich nachprüfen, denkt Haller und fragt nach dem 23. August.
„Das weiß ich nicht mehr.“
„Denken Sie nach, der 24. Juli ist Ihnen doch auch eingefallen.“
„Ich weiß es nicht, und wenn Sie mich totschlagen.“
„Sie haben nicht zufällig eine Frau totgeschlagen?“ Haller setzt alles auf eine Karte.
Keller schmeißt die Bierdose, die er gerade aufgerissen hat, gegen die Wand, das Bier läuft herunter, am Boden schäumt es aus der Dose.
„Jetzt hau bloß ab, sonst vergess ich mich!“ Keller schreit, seine Stimme überschlägt sich, er hat etwas in den Augen, das Haller den Rückzug antreten lässt.
Heilmann ist auch nicht weitergekommen, nix mit der Nord-Ost-Passage, witzelt er. Allmählich geht er Haller auf die Nerven. „Und jetzt?“, beißt er ihn an.
Pause – Zigarette – Kaffee.
Dann versucht Heilmann ein Versöhnungsangebot, indem er in die Bildungskiste greift, immerhin bis zur 10. Klasse hat er Latein gelernt, hätte er es lernen sollen, hat es nicht getan, also ist er von der Schule geflogen, er greift also auf seinen Lateinfundus zurück und sagt: „Vielleicht heißt es ja NemO, vielleicht ist da einer, den sie im Dorf nicht akzeptiert haben, einer mit Abitur, gar ein Studierter.“
„Quatsch“, faucht Haller, „so ein Quatsch!“ Und doch arbeitet es schon in seinem Kopf: „Wer im
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