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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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dieses Mal keinen Schmerz. Unbemerkt glitt er in den Schlaf. In dieser Nacht hörte er keine Stimmen, und zum ersten Mal träumte er nicht von den Gummibäumen.

2
    Plötzlich waren die Kornfelder da.
    Irgendwo auf seiner Reise nach Norden, seinem Zuhause entgegen, hatten sie angefangen und glitten nun weich neben der Straße her, geschmeidig im Schatten des gleichgültig dahinfahrenden Greyhound-Busses. Windböen und die Schatten der Wolken ließen das Getreide und die Erinnerung an das borstige Gefühl an den Händen lebendig werden. Unerwarteter Reisebegleiter, die warme Farbe kühlen Biers, die Gastlichkeit eines Heuschobers.
    Vertraute Gefühle. Vor langer Zeit hatte er Brot aus diesem Getreide gegessen.
    Mit seinen früheren Händen war er durch Karens Haar gefahren und hatte ihren Duft eingesogen. Sie roch nach Frau und nach allen Dingen dieser Welt und dennoch unvergleichlich. Wie einen schmerzhaften Stich spürte er das, als er abreisen musste nach dem Monat Heimaturlaub, der den Soldaten vor dem Abflug nach Vietnam zugestanden wurde. Eine flüchtige Illusion von Unverwundbarkeit, dreißig Tage Paradies und Träume, bevor der Terminal in Oakland zu dem von Hawaii wurde und sich schließlich in den von Biên-Hòa verwandelte, das zentrale Truppensammellager zwanzig Meilen von Saigon entfernt.
    Und dann Xuan Loc, der Ort, an dem alles begann und er sich seinen kleinen Platz in der Hölle verdiente.
    Er löste den Blick von der Straße und drückte den Schild seiner Baseballmütze hinunter. Die Sonnenbrille war mit einem Gummiband befestigt, weil von seinen Ohrmuscheln praktisch nichts übrig war, das die Bügel hätte halten können. Er schloss die Augen und verbarg sie hinter den dunklen Gläsern. Die Bilder wechselten.
    In Vietnam gab es kein Getreide.
    Keine Frauen mit blondem Haar, höchstens die ein oder andere Schwester im Krankenhaus. Doch jetzt hatte er ohnehin kaum noch Gefühl in den Fingern und auch nicht das Verlangen, jemanden zu berühren. Vor allem aber würde keine Frau jemals wieder das Verlangen haben, sich von ihm berühren zu lassen, da war er sich sicher.
    Nie mehr.
    Auf der anderen Seite des Gangs saß ein junger Mann mit langen Haaren in einem Hemd mit Blumenmuster. Er hatte geschlafen. Nun wurde er langsam wach, rieb sich die Augen und gestattete sich ein Gähnen, das nach Schweiß, Schlaf und Gras roch. Dann kramte er aus einer Tasche, die neben ihm auf dem Sitz stand, ein Kofferradio hervor und schaltete es ein. Es jaulte, während er nach einem Sender suchte. Irgendwann erklang The Iron Maiden von Barkley James Harvest und vermischte sich mit dem Brummen von Reifen und Motor und dem Rauschen des Fahrtwinds an den Fenstern.
    Instinktiv sah der Corporal hinüber. Als die Augen des Typen, der etwa in seinem Alter sein musste, auf sein Gesicht fielen, kam die gewohnte Reaktion, die alle Menschen bei seinem Anblick zeigten, etwas, das er zuerst hatte lernen müssen, so wie man in einer fremden Sprache zuerst die Schimpfwörter lernt. Der junge Mann, der ein Gesicht und ein Leben hatte, so schön oder so hässlich sie sein mochten, wandte sich schnell wieder seiner Tasche zu und tat so, als suchte er etwas. Dann drehte er ihm den Rücken zu und sah auf seiner Seite aus dem Fenster.
    Der Soldat lehnte den Kopf gegen die Scheibe.
    Werbeplakate flankierten die Straße. Einige Produkte kannte er gar nicht, und auch einige der Automodelle, die den Bus überholten, hatte er noch nie gesehen. Ein entgegenkommender Ford Fairlane Cabriolet von 1966 war das einzige Bild, das er in seinem Gedächtnis wiederfand. Die Zeit war weitergegangen, ein kleines Stückchen nur, und mit ihr das Leben mit all seinen wechselnden Angeboten an jene, die es Tag für Tag zu meistern hatten.
    Zwei Jahre waren vergangen. Ein Wimpernschlag, ein unmerkliches Zucken des Zeigers auf dem Chronometer der Ewigkeit. Und doch hatten sie genügt, um alles auszulöschen. Wenn er jetzt den Blick hob, sah er nur eine glatte Wand vor sich, und sein Groll war die einzige Stütze, die ihm beim Aufstieg half. In all diesen Monaten hatte er ihn kultiviert, genährt, gedeihen lassen, bis er zu einem klaren, reinen Zorn geworden war.
    Und nun war er auf dem Weg nach Hause.
    Keine ausgebreiteten Arme, keine ehrenden Worte und keine Fanfarenklänge würden den Helden empfangen. Auch würde ihn niemals jemand so nennen, und überdies hielten alle den Helden für tot.
    Er war in Louisiana gestartet, wo ihn ein Militärfahrzeug ganz

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