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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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steil zu einem grünblauen Gewässer ab, das über spitze Steine und gegen die schwarze Felswand brandete; Möwen segelten im Wind über einen strahlend blauen Himmel; und rechts hing ein knorriger Baum über den Klippenrand und schien seine dunklen Äste hilfesuchend auszustrecken.
    In der Küche setzte Neville die ganzen Sachen auf dem Tisch ab, während sein Blick wieder einmal zur Uhr wanderte. Siebzehn Uhr vierzig. Nun würde es nicht mehr lange dauern.
    Er füllte ein bisschen Wasser in einen kleinen Topf und stellte ihn auf eine der Kochplatten. Als Nächstes taute er die Koteletts auf und gab sie in den Grill. Inzwischen siedete das Wasser, er warf die noch gefrorenen Brechbohnen hinein und deckte den Topf zu. Vermutlich ist der Elektroherd an den Mucken des Generators schuld, dachte Neville.
    Am Tisch schnitt er zwei Scheiben Brot ab und schenkte sich ein Glas Tomatensaft ein. Er setzte sich nieder und starrte auf den roten Sekundenzeiger, der langsam ums Zifferblatt wanderte. Die Bastarde mussten bald wieder hier sein.
    Nachdem er seinen Tomatensaft getrunken hatte, ging er zur Haustür und hinaus auf die Veranda, dann ein paar Stufen hinunter zum Rasen. Er schlenderte zum Bürgersteig.
    Der Himmel verdunkelte sich, und es wurde kühl. Er schaute die Cimarron-Straße auf und ab, während die Abendbrise mit seinem blonden Haar spielte. Das war das Dumme an diesen trüben Tagen: Man wusste nie, wann sie kamen.
    Aber besser ein verhangener Himmel als diese verdammten Staubstürme. Mit einem Achselzucken kehrte er über den Rasen ins Haus zurück, sperrte die Tür hinter sich zu, verriegelte sie und schob auch noch den dicken Sperrbalken vor. In der Küche drehte er die Koteletts um und schaltete die Herdplatte aus.
    Er breitete gerade sein Essen auf einen Teller, als er mittendrin anhielt und schnell auf die Uhr schaute. Heute war es also achtzehn Uhr fünfundzwanzig geworden. Ben Cortman brüllte: »Komm raus, Neville!«
    Robert Neville setzte sich seufzend an den Tisch und fing zu essen an.

    Er saß im Wohnzimmer und versuchte zu lesen. An seiner kleinen Hausbar hatte er sich einen Whisky Soda gemixt. Jetzt hielt er das kalte Glas über dem Physiologiebuch. Aus dem Lautsprecher über der Gangtür schallte Musik von Arnold Schönberg.
    Aber nicht laut genug, dachte Neville. Er konnte sie immer noch draußen hören, ihr Gemurmel, ihre Schritte, wenn sie hin und her stapften, ihre Schreie und ihr Knurren, wenn sie untereinander kämpften. Hin und wieder prallte ein Stein oder ein Ziegel gegen das Haus. Manchmal bellte ein Hund ...
    Robert Neville schloss einen Moment lang die Augen und kniff die Lippen zusammen. Dann hob er die Lider, zündete sich eine Zigarette an und machte einen tiefen Lungenzug.
    Er wollte, er hätte die Zeit, das Haus schalldicht zu isolieren. Das Ganze wäre nicht so schlimm, wenn er sie nicht hören müsste. Selbst nach fünf Monaten nahm es ihn noch ganz schön mit. Er schaute überhaupt nicht mehr hinaus zu ihnen. Anfangs hatte er ein Guckloch in einem Fenster zur Straße freigelassen und sie beobachtet. Doch das hatten die Frauen schnell gemerkt und sich in geile Posen geworfen, um ihn aus dem Haus zu locken. Das wollte er nicht sehen.
    Er legte das Buch zur Seite und starrte blicklos auf den Teppich, während aus dem Lautsprecher Schönbergs Streichorchesterfassung von Verklärte Nacht ertönte. Natürlich brauchte er sich bloß Watte in die Ohren zu stopfen, um sie nicht mehr hören zu müssen, doch dann konnte er auch der Musik nicht mehr lauschen - und er wollte sich von ihnen nicht zu etwas zwingen lassen, das seine Annehmlichkeiten noch mehr beschnitt.
    Wieder schloss er die Augen. Die Frauen waren es, die es so schwierig machten, dachte er, die Frauen, die Stellungen aus Pornoheften nachahmten, in der Hoffnung, er würde sie sehen und vielleicht doch zu ihnen hinauskommen.
    Er schüttelte sich. Jeden Abend war es das Gleiche. Er las und hörte Musik, dann dachte er daran, das Haus schalldicht zu machen, und schließlich wanderten seine Gedanken zu den Frauen ab.
    Der Schweiß brach ihm aus, und tief in ihm verkrampfte sich alles. Er presste die Lippen zusammen, bis sie sich verfärbten. Nur zu gut kannte er dieses Gefühl, und es machte ihn rasend, dass er nicht dagegen ankam. Es wurde immer stärker, und schließlich konnte er nicht mehr ruhig sitzen. Dann sprang er auf und rannte hin und her, die Fäuste, deren Knöchel sich weiß abhoben, fest an die Seiten gepresst.

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