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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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»kummervoll« bedeutete, und er versuchte, es auszugleichen, indem er ein fröhliches Lied mit meinem Name sang: »
Malala Maiwand wala da pa tool jehan ke da khushala da«,
sang er, »– Malala ist aus Maiwand, und sie ist der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.«
    Zu den Eid-Feiertagen reisten wir jedes Mal ins Dorf. Wir zogen unsere besten Kleider an und zwängten uns in einen Mini-Van von den
Flying Coaches,
mit grellbunt bemalten Seiten und klimpernden Ketten, und fuhren in den Norden nach Sharpur, in das Dorf unserer Verwandten in Shangla im oberen Swat-Tal.
    Die Eid-Feiern finden zweimal jährlich statt. Eid ul-Fitr war das kleine Eid-Fest, es leitete das Ende des Fastenmonats Ramadan ein, und Eid ul-Azha war das große Eid-Ereignis zum Gedenken an die Bereitschaft des Propheten Abraham, Gott seinen erstgeborenen Sohn Ismail zu opfern. Das jeweilige Datum wird von einem Gremium aus Religionsgelehrten verkündet, die das Erscheinen des Halbmonds beobachteten, und sobald wir es im Radio hörten, brachen wir auf.
    Die Nacht davor schliefen wir kaum vor lauter Aufregung. Die Fahrt dauerte gewöhnlich fünf Stunden, sofern die Straße nicht von Regenfällen überschwemmt oder von Erdrutschen zugeschüttet waren und der Mini-Van rechtzeitig losgefahren war. In Mingora schleppten wir uns zur Haltestelle des Überlandbusses, unsere Reisetaschen waren vollgestopft mit Geschenken für die Verwandten, mit bestickten Schals, Schachteln mit Rosen- und Pistazienkonfekt und mit Medikamenten, die sie im Dorf nicht bekommen konnten. Manche Leute nahmen Säcke voll Zucker und Mehl mit, und das meiste Gepäck wurde hoch auf dem Dach des Busses aufgetürmt und festgebunden. Dann zwängten wir uns in das Gefährt hinein, rangelten um die Plätze an den Fenstern, obwohl diese so schmutzverkrustet waren, dass man kaum hinaussehen konnte. Die Seiten unserer Busse sind mit knallrosa und gelben Blumenbildern, neonorangefarbenen Tigern und verschneiten Bergen verziert. Meine Brüder freuten sich, wenn wir in einem sitzen konnten, der mit F 16 -Kampfjets oder Atomraketen bemalt war. Unser Vater meinte jedoch, wenn unsere Politiker nicht so viel Geld für die Beschaffung einer Bombe ausgegeben hätten, wäre uns vielleicht genügend Geld für Schulen geblieben.
    Wir fuhren durch den Basar, vorbei an grinsenden roten Mündern auf den Schildern der Zahnärzte, an den Karren, auf denen sich Holzkäfige mit perläugigen, rotschnäbeligen weißen Hühnern stapelten, und an der Reihe mit Juwelierläden, deren Schaufenster voller goldener Hochzeitsarmreife waren. Die letzten Geschäfte waren Holzhütten, die sich aneinanderzulehnen schienen und vor denen stapelweise geflickte Autoreifen für die schlechten Straßen lagen. Dann waren wir auf der Hauptstraße, die von dem letzten
Wali
gebaut worden war. Sie führt linker Hand an dem breiten Swat-Fluss und rechter Hand dicht an den Felsen mit den Smaragdminen vorbei. Wir überholten staubgesichtige Kinder, die unter riesigen Grasbündeln, die sie auf dem Rücken trugen, nach vorn gebeugt ihren Weg nahmen, und Männer, die ihre wandernden zottigen Ziegenherden hüteten.
    Weiter ging es, die Landschaft wechselte zu üppig grünen Reisfeldern und Obstwiesen mit Aprikosen- und Feigenbäumen. Ab und zu kamen wir an kleinen Marmorfabriken vorbei; sie lagen oberhalb von Wasserläufen, die milchig-weiß waren von eingeleiteten Chemikalien, was meinen Vater erzürnte. »Da seht ihr, was diese Verbrecher tun, um unser schönes Tal zu vergiften«, sagte er immer.
     
    Die Straße führte schließlich vom Fluss weg und wand sich durch Engpässe über steile, mit Kiefern bewachsene Höhen bergauf, höher und höher, bis es in unseren Ohren rauschte. Auf einigen Gipfeln waren Ruinen, von Geiern umkreist, die Überreste von alten Festungen, die der erste
Wali
errichtet hatte. Der Busfahrer kämpfte sich nach oben, er fluchte, wenn Laster uns in unübersichtlichen Kurven an steilen Gefällen überholten. Meinen Brüdern gefiel das, und sie hatten ihren Spaß daran, Mama und mich zu triezen und auf die Wracks von am Berghang verunglückten Fahrzeugen zu zeigen.
    Schließlich gelangten wir zum Sky Turn, dem Tor nach Shangla, einem Bergpass, bei dem man das Gefühl hat, auf dem Dach der Welt zu sein. Da oben waren wir höher als die Felsengipfel ringsum. In der Ferne konnten wir den Schnee von Malam Jabba sehen, unserem Ski-Erholungsort. Klare Quellen und Wasserfälle sprudelten vom Berg herab, und als wir

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