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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Pause machten, um auf die Toilette zu gehen und Tee zu trinken, war die Luft unglaublich rein und duftete sehr nach Zedern und Föhren. Gierig atmeten wir sie in tiefen Zügen ein. Shangla besteht nur aus Bergen, Bergen, Bergen und ganz wenig Himmel.
    Mit Khushal an einem Wasserfall in Shangla.
    Hinter dem Shangla-Gipfel windet die Straße sich eine Weile wieder bergab, dann folgt sie dem Fluss Ghwurban und geht in einen steinigen Weg über. Die einzigen Möglichkeiten, den Fluss zu überqueren, sind Seilbrücken, es gibt auch eine Seilzuganlage, an der man sich in einer Metallkabine hinüberschwingt. Ausländer nennen sie Selbstmordbrücken, aber wir haben sie geliebt.
    Das Haus, in dem mein Vater aufwuchs.
    Betrachtet man eine Karte vom Swat, so sieht man ein großes langgestrecktes Tal mit vielen kleinen Tälern, von uns
darae
genannt, die seitlich abzweigen wie Äste eines Baumes. Unser Dorf liegt ungefähr in der Mitte, östlich im Kana-Tal, das von zerklüfteten Bergwänden umschlossen ist. Es ist so schmal, dass nicht einmal Raum für einen Kricketplatz vorhanden ist. Wir nennen unser Dorf Shahpur, aber eigentlich sind es drei hintereinanderliegende Dörfer entlang des Talgrunds – Shahpur, das größte Dorf, Barkana, der Ort, in dem mein Vater aufgewachsen ist, und Karshat, die Heimat meiner Mutter. An jedem Ende des Kana-Tals erhebt sich ein enormer Berg – Tor Ghar, der Schwarze Berg, im Norden, und Spin Ghar, der Weiße Berg, im Süden.
    Meist wohnten wir im Haus meines Großvaters in Barkana. Wie alle Häuser in jener Gegend hatte es ein Flachdach und war aus Stein und Lehm erbaut. Mein Großvater begrüßte mich jedes Mal mit: »
Malala Maiwand wala da tapa tool jehan ke da khushala
 – Malala ist aus Maiwand, und sie ist der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.«
    Ich war lieber bei meinen Kusinen mütterlicherseits in Karshat, weil sie ein Betonhaus und eine Toilette hatten und dort viele Kinder waren, mit denen ich spielen konnte. Meine Mutter und ich lebten dann unten im Frauenquartier. Die Frauen verbrachten ihre Tage mit den Kindern, sie bereiteten das Essen für die Männer zu und servierten es ihnen oben im Gästehaus. Ich schlief mit meinen Kusinen Aneesa und Sumbul in einem Raum, in dem es eine Uhr in Gestalt einer Moschee gab, die ich sehr liebte, und einen Wandschrank mit einem Gewehr und mehreren Packungen Haarfärbemittel.
    Der Tag im Dorf begann früh, und ich, die ich ungern morgens aufstand, wachte vom Krähen der Hähne und vom Geschirrklappern auf, wenn die Frauen das Frühstück für die Männer machten.
    Morgens strahlte die Sonne vom Gipfel des Tor Ghar, des Schwarzen Berges. Wenn wir zum ersten Gebet aufstanden, sahen wir links die goldene Spitze des Spin Ghar, des Weißen Berges, von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet wie eine weiße Dame, die eine
jumar tika
auf der Stirn trug, eine goldene Kette.
    Oft fiel Regen, der alles reinwusch, und die Wolken schwebten über den grünen Terrassen der Hügel, wo die Menschen Rettiche und Walnussbäume anpflanzten. Ringsum gab es Bienenstöcke. Ich liebte den klebrigen Honig, den wir mit Walnüssen aßen. Unten am Fluss bei Karshat gab es Wasserbüffel und auch einen Schuppen mit einem hölzernen Wasserrad, das die Kraft lieferte, um riesengroße Mühlsteine zu drehen. Weizen wurde dort zu Mehl gemahlen, das die Jungen in Säcke schütteten. Ein kleiner Verschlag nebenan enthielt ein Brett mit einem Wirrwarr von Drähten, die ihren Ursprung in einem weiteren Verschlag hatten. Von der Regierung bekamen wir keinen Strom geliefert, deswegen versorgten sich viele Dorfbewohner auf diese Weise mit Energie.
    Wenn die Sonne mit fortschreitendem Tag am Himmel höher stieg, wurde immer mehr vom Weißen Berg in Sonnengold getaucht. Kam der Abend, hüllte der Berg sich in Schatten, und dann beschien die Sonne den Schwarzen Berg. Wir richteten unsere Gebetszeiten nach den Schatten der Sonne. Fiel sie auf einen bestimmten Felsen, sprachen wir unser Asr-Gebet. Am Abend, wenn die weiße Spitze des Spin Ghar noch schöner war als am Morgen, war es Zeit für das
makkam,
das Abendgebet.
    Den Weißen Berg konnte man von überall sehen, und mein Vater sagte, er hätte ihn als Friedenssymbol für unser Land betrachtet, eine weiße Fahne am Ende unseres Tals. Als Kind hatte er gedacht, dieses kleine Tal sei die ganze Welt, und wenn jemand weiter ging als bis zu der Stelle, wo die Berge den Himmel küssten, würde er abstürzen.
    Wie mein Vater war ich

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