Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
und hatte schon immer große Ideen!
Doch mein Vater war immer eher Romantiker als Geschäftsmann gewesen. Mittlerweile waren er und sein Partner in arge finanzielle Bedrängnis geraten. Die Ladenbesitzer hatten ihnen jeglichen Kredit gestrichen, und sie konnten nicht einmal mehr Tee und Zucker kaufen. Um ihr Einkommen aufzubessern, betrieben sie in der Schule einen Kiosk. Sie besorgten sich morgens Snacks und verkauften sie den Kindern. Mein Vater kaufte Mais und blieb abends lange auf, um Popcorn zu machen und in Tüten abzufüllen.
Eines Tages teilte mein Vater Hidayatullah mit, er werde für ein paar Tage in sein Dorf zurückkehren. Dass er heiraten würde, hatte er keinem seiner Freunde in Mingora gesagt, weil er es sich nicht leisten konnte, sie zu bewirten. Bei uns werden Hochzeiten mehrere Tage lang mit üppigen Festmählern gefeiert. Tatsächlich war mein Vater, wie meine Mutter ihm oft vorhält, bei der eigentlichen Zeremonie selbst gar nicht anwesend gewesen, nur am letzten Tag.
Bei uns ist es Tradition, dass die Braut von ihrer Familie Möbel oder einen Kühlschrank und von der Familie des Bräutigams etwas Gold geschenkt bekommt, meist in Form von Armreifen. Mein Großvater wollte kein Gold kaufen, deshalb musste mein Vater sich wieder Geld für Schmuck leihen.
Nach der Heirat zog meine Mutter zu meinem Großvater und meinem Onkel ins Haus. Mein Vater suchte alle zwei bis drei Wochen das Dorf auf, um seine Frau zu sehen. Es war geplant, sie nachkommen zu lassen, sobald seine Schule erfolgreich war.
Mein Großvater klagte aber fortwährend über sein mageres Einkommen und machte meiner Mutter das Leben furchtbar schwer. Da sie ein wenig eigenes Geld hatte, mieteten mein Vater und meine Mutter einen Wagen, und so zog Tor Pekai nach Mingora. Sie hatten keine Ahnung, wie sie es schaffen sollten. »Wir wussten nur, dass mein Vater uns nicht bei sich haben wollte«, sagte mein Vater. »Damals war ich unglücklich über ihn, aber später war ich dankbar, weil ich dadurch unabhängiger und zielstrebiger wurde.«
Er hatte es jedoch unterlassen, diese neue Entwicklung seinem Partner mitzuteilen. Hidayatullah war entsetzt, als mein Vater eines Tages mit einer Frau nach Mingora zurückkehrte.
»Wir sind nicht in der Lage, eine Familie zu ernähren!«, gab er ihm zu verstehen. »Wo wird sie wohnen?«
Mein Vater beruhigte ihn: »Alles ist gut, sie wird für uns kochen und waschen.«
Meine Mutter war aufgeregt, als sie sich auf den Weg nach Mingora machte. Für sie war Mingora eine höchst moderne Stadt. Als sie und ihre Freundinnen als junge Mädchen am Fluss sich gegenseitig ihre Träume erzählt hatten, wollten die meisten heiraten, Kinder gebären und für ihre Ehemänner kochen. Meine Mutter jedoch sagte: »Ich will in der Stadt wohnen und mir gegrilltes Fleisch und Naan-Brot kommen lassen, statt selbst zu kochen!«
Das Leben war nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Ihr neues Zuhause war eine Hütte mit nur zwei Zimmern, in dem einen schliefen Hidayatullah und mein Vater, das andere war ein kleines Büro. Es gab keine Küche, keine sanitären Anlagen. Als meine Mutter eintraf, musste Hidayatullah im Büro auf einem harten Holzstuhl schlafen.
Mein Vater fragte seine Frau in allem um Rat. »Pekai, hilf mir doch. Ich bin ganz konfus, was dies oder jenes angeht«, pflegte er zu sagen. Sie half ihm auch beim Streichen der Wände und hielt die Lampe hoch, so dass er auch noch abends weißeln konnte, wenn es keinen Strom gab.
»Ziauddin war ein Familienmensch, und er und Tor Pekai standen sich außergewöhnlich nahe«, erzählte einmal Hidayatullah. »Während die meisten von uns nicht mit ihren Frauen leben können, konnte er nicht ohne seine Frau leben.«
Nach wenigen Monaten war sie schwanger. Das erste Kind, ein Mädchen, kam, wie gesagt, 1995 tot zur Welt. »Ich glaube, es lag an der mangelnden Hygiene in der schmutzigen Hütte«, erklärte mein Vater. »Ich hatte gedacht, Frauen können gebären, ohne ins Krankenhaus zu gehen, so wie meine Mutter und meine Schwestern im Dorf. Meine Mutter hat auf diese Weise zehn Kinder zur Welt gebracht.«
Die Schule war weiterhin ein Verlustgeschäft. Monate vergingen, ohne dass sie das Gehalt der Lehrer oder die Miete für die Schule bezahlen konnten. Der Schmuckhändler kam immer wieder und verlangte sein Geld für die Hochzeitsarmreife. Mein Vater bot ihm guten Tee und Gebäck an in der Hoffnung, das würde ihn zufriedenstellen. Hidayatullah lachte: »Denkst
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