Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Verbindungen zum ISI und hatte sich zum Ziel gesetzt, Kaschmir zu befreien, da dieses wegen seiner größtenteils muslimischen Bevölkerung zu Pakistan gehören sollte und nicht zu Indien. Der Anführer von LeT ist ein Professor aus Lahore, Hafiz Saeed, den man oft im Fernsehen sieht, wie er zum bewaffneten Kampf gegen Indien aufruft.
Da die Regierung nach dem Erdbeben wenig Unterstützung leistete, richtete die JuD Hilfslager ein. Sie wurden von Männern mit Kalaschnikows und Walkie-Talkies bewacht, die den Überlebenden halfen. Jeder wusste, dass die JuD nur ein neuer Name von LeT war, und bald schon flatterten überall ihre schwarz-weißen Flaggen mit den gekreuzten Schwertern, auf den Bergen und in den Tälern.
In Muzaffarabad, Distrikthauptstadt von Azad Jammu und Kaschmir, stellte die JuD sogar ein großes Feldlazarett mit Röntgenapparaten, Operationssaal, einer gut sortierten Apotheke sowie einer zahnärztlichen Abteilung auf. Ärzte und Tausende von jungen Menschen boten selbstverständlich ihre Dienste an.
Erdbebenopfer priesen die Aktivisten, die sich bergauf und bergab durch die zerstörten Dörfer schleppten und in schwer zugänglichen und bislang unerreichten Gegenden medizinische Hilfe leisteten. Auch unterstützten sie die Bevölkerung dabei, die zerstörten Dörfer aufzuräumen und wiederaufzubauen, Gebete zu sprechen und die Toten zu begraben.
Ein Vetter, der in England studierte, meinte, die in Großbritannien lebenden Pakistaner hätten viele Geldspenden gesammelt. Später wurde behauptet, ein Teil davon sei von dem Geld abgezweigt worden, mit dem man einen geplanten Bombenanschlag auf Flugzeuge finanzieren wollte, die unterwegs von England in die USA waren.
Kommt man heute in die Ortschaften, in denen zerstörte Häuser noch immer den Straßenrand säumen und die Menschen weiterhin auf Entschädigungszahlungen der Regierung warten, um neue Wohnungen bauen zu können, so ist zu erkennen: Die meisten ausländischen Hilfsorganisationen sind fort. Die Flaggen und Helfer der JuD sind aber noch da.
Da viele Menschen während der Katastrophe umgekommen waren, gab es viele Waisenkinder – 11000 an der Zahl. In unserer Kultur wird ein Waisenkind gewöhnlich von Verwandten aufgenommen, doch das Erdbeben war so schlimm gewesen, dass ganze Familien ausgelöscht worden waren oder alles verloren hatten, so dass sie nicht in der Lage waren, Kinder zu versorgen. Die Regierung versprach, für diese Jungen und Mädchen da zu sein, aber das klang so hohl wie die meisten ihrer Versprechungen. Mein Vater erfuhr dann, dass viele der verwaisten Jungen von der JuD aufgenommen und in deren Madaris untergebracht wurden. In Pakistan sind die Madaris eine Art Wohlfahrtssystem, weil sie freie Verpflegung und Unterkunft gewähren – doch ihr Unterricht hält sich an keinen normalen Lehrplan. Die Jungen lernen den Koran auswendig, wiegen sich beim Aufsagen vor und zurück. Sie lernen, dass es so etwas wie Naturwissenschaften oder Literatur nicht gibt, dass Dinosaurier nie existiert haben und kein Mensch je auf dem Mond war.
Noch lange nach dem Erdbeben stand die ganze Nation unter Schock. Wir waren ohnehin mit unseren Politikern und Diktatoren, die einen militärischen Hintergrund hatten, übel dran, nun waren wir obendrein auch noch von einer Naturkatastrophe heimgesucht worden.
Mullahs von TNSM predigten, das Erdbeben sei eine Warnung Gottes gewesen. Wenn wir uns nicht wandelten und die Scharia , das islamische Recht, einführten, so riefen sie mit donnernder Stimme, würden weitere schwere Strafen über uns kommen.
Teil II
Das Tal des Todes
Rabab mangia wakht de teer sho
Da kali khwa ta Talibaan raaghali dena.
Leb wohl, Musik!
Selbst deine süßesten Klänge sind nun verstummt.
Die Taliban am Rande des Dorfes
haben aller Lippen versiegelt.
9
Der Radio-Mullah
I ch war zehn, als die Taliban in unser Tal kamen. Moniba und ich hatten
Twilight
-Bücher gelesen und wollten unbedingt Vampire sein. Für uns fühlte es sich an, als wären die Taliban wie Vampire in der Nacht aufgetaucht. Sie erschienen in Gruppen, mit Messern und Kalaschnikows bewaffnet. Sie tauchten im oberen Swat-Tal auf, in den Hügeln um Matta. Sie nannten sich zunächst nicht Taliban und sahen auch nicht so aus wie die afghanischen Taliban mit Turbanen und schwarz umrandeten Augen, die wir von Bildern kannten. Die zu uns gelangten, waren seltsam aussehende Männer mit langen Zottelhaaren und Tarnwesten über dem Shalwar Kameez,
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