Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
uns eine besonders alltagstaugliche Erkenntnis hinterlassen: den Cocktailparty-Effekt.
Wir beide waren in unserem Leben – nicht nur berufsbedingt – schon unzählige Male auf einer Party eingeladen. Als Kölner leben wir zudem in einer Region, die dafür bekannt ist, dass deren Eingeborene keinen konkreten Anlass benötigen, um ihre Geselligkeit auszuleben. Für Kölner ist Feiern kein Zeitvertreib, sondern ein Lebensgefühl. Und nicht selten geht es dabei hoch her und laut zu – jede Menge gute Musik, lustige Geschichten und Anekdoten, die darum wetteifern, erzählt zu werden, Gelächter überall, Stimmung bis spät in die Nacht. Nicht nur an Karneval! Das Faszinierende daran ist: Egal, wie viele Geräusche unser Gehör dabei aufnimmt – wir können uns trotzdem problemlos auf unseren Gesprächspartner und seine Stimme konzentrieren.
Cherry hatte dieses Phänomen 1953 als Erster nachgewiesen. Auf die Idee dazu brachten ihn zwei Experimente. Beim ersten lauschten die Versuchsteilnehmer über Kopfhörer gleichzeitig zwei verschiedenen Botschaften desselben Sprechers. Eine der beiden Botschaften sollten sie herausfiltern und später niederschreiben. Um die Aufgabe zu meistern, schlossen fast alle Probanden ihre Augen, strengten sich enorm an, konzentrierten sich intensiv auf einen der beiden Texte – dann schafften sie es gerade so mit Müh und Not.
Den eigentlichen Aha-Moment erlebte Cherry jedoch beim zweiten Versuch: Wieder spielte der Psychologe zwei Botschaften gleichzeitig ab, doch diesmal für beide Ohren getrennt. Alsolinks den einen Text, rechts den anderen. Kompliziert? Mitnichten! Die Teilnehmer fühlten sich regelrecht unterfordert. Zu ihrer eigenen Überraschung konnten sie die beiden Botschaften ohne Probleme auseinanderhalten – ohne die Augen zu schließen oder die Stirn zu runzeln. Exakt dasselbe Phänomen erleben wir auf Partys: Unser rechtes Ohr hört andere Dinge als unser linkes, doch beide Geräusche kann unser Gehirn problemlos voneinander trennen. Wir müssen dem anderen eben nur eines unserer beiden Ohren hinhalten.
Zugegeben, der Effekt hat Grenzen. Wenn es zu laut wird, etwa in einem Nachtclub, hilft nur noch Schreien. Dann heben wir automatisch unsere Stimme – je lauter die Umgebung, desto höher der Ton. Auch dieses Phänomen trägt einen Namen: Lombard-Effekt, nach seinem Entdecker, dem französischen Wissenschaftler Étienne Lombard. Und selbst damit ist es irgendwann vorbei. Dann spürt man nur noch das Wummern der Bässe auf der Brust, den Luftzug des schreienden Gegenübers im Ohr und am nächsten Tag den Tinnitus.
Falls Sie ein regelmäßiger Partygänger sind, möchten wir Ihnen an dieser Stelle noch einen Tipp mit auf den Weg geben: Falls Sie Ihr Gegenüber um etwas bitten möchten – Feuer, einen Drink, die Telefonnummer –, sprechen Sie unbedingt ins rechte Ohr! Diese eigentümliche Empfehlung geht auf Luca Tommasi und Daniele Marzoli von der Universität in Chieti zurück. Die wollten wissen, in welches Ohr Menschen in erster Linie reden, wenn sie sich in Nachtclubs begegnen. Dabei fiel ihnen auf, dass sich 72 Prozent der knapp 300 Discobesucher hauptsächlich über das rechte Ohr ansprachen. Das erregte ihre Neugier. Und schon bald stellten sie fest: Auch im Alltag quatschen sich die Menschen mehrheitlich von rechts an, wenn sie etwas von dem anderen wollen. Also machten Tommasi und Marzoli das, was Wissenschaftler an dieser Stelle üblicherweise tun: Experimente. Die beiden besuchten gleichfalls Nachtclubs und brabbelten zunächst unverständliche Worte beliebigen Besuchern ins Gesicht. Die mussten sich schon sehr anstrengen, um überhauptetwas zu verstehen. Hier waren es vor allem die Frauen, die den Forschern vorwiegend ihr rechtes Ohr schenkten. Im zweiten Versuch sprach das Hörtest-Duo die Besucher wahllos mal von rechts und von links an, um eine Zigarette zu schnorren. Resultat: Wer die Gäste von rechts anbaggerte, hatte hernach deutlich mehr zu rauchen. Ihre Erklärung dazu: Das rechte Ohr hat den direkteren Draht zur linken Gehirnhälfte und die verarbeitet Aufforderungen besser. Bei Tieren ist das übrigens genauso.
D ER GÄHN-EFFEKT
Warum der Reflex so ansteckend ist
Der dreißigjährige Mann, der im Sommer 1978 in Olivier Walusinskis Praxis im französischen Kleinstädtchen Brou kommt, ist nicht müde. Aber er gähnt. Nicht einmal. Nicht zweimal. Er gähnt unentwegt. Jede Minute mindestens einmal. Walusinski
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