Ich. Die Autobiographie
die öffentliche Meinung. »Bad taste« befahl ich meinen berühmten Gästen zur Feier meines dreißigsten Geburtstags 1974 im weltberühmten römischen Nachtclub »Jackie O.«, gleich hinter Roms Flanier-Boulevard Via Veneto. Es wurde das wildeste Skandalfest der siebziger Jahre. Je scheußlicher angezogen, umso verrückter die kokainentfesselten Leute.
Mich feierte Soraya, die in der knallroten Perücke giftgrüne Bänder trug. Darunter ein schwarzes Großmutterkleid. Daneben Valentino, der ein hässlich rot-blau-weiß kariertes Spitzenjäckchen anhatte; Barbara Bouchet in den engsten Jeans-Hotpants aller Zeiten. Unmöglich, ohne Hilfe den runden Po herauszuschälen. Meine liebe Freundin Ursula Andress als grell geschminkte Irma la Douce mit Straußenfedern um den Hals und zutiefst dekolletiert.
Alle kamen sie, die feinsten Leute Europas in den hässlichsten Outfits, Adel, Filmprominenz, High-Society. Sie ließen mich mit weißem Traumpulver als Geburtstagsgeschenk hochleben. Wir schnupften alle. Damals plagte mich keine Angst vor Enthüllung. Pah, Skandale waren mir wurscht. Happenings lenkten mich ab von mir selbst. Von der Belanglosigkeit, den Pausen zwischen den Filmen, der Sinnlosigkeit des Lebens, dem Wissen, dass nichts bleibt. Später, als Viscontis Witwe, brach dieses Bewusstsein vollends durch.
Wie durch ein Vergrößerungsglas verschärfte sich mein Blick auf den Alltag, aus dem ich regelmäßig mit überstürzten Reisen ans andere Ende der Welt floh. Denn ich hasse Langeweile. Verabscheue diese scheußlichen Klischees. Seit ich die bessere Hälfte meines Selbst 1976 mit Visconti verlorenhabe, überlebt nur noch ein Teil meiner Persönlichkeit, der versucht, nicht immer an ihn zu denken und ihn zu vermissen.
Das ist zum Verrücktwerden. Manchmal bin ich kurz davor, durchzudrehen. Ich kenne meine Fehler genau, weiß, wann und wie ich mich danebenbenehme. Mein Image, das ich selbst verursacht habe, stört mich, vor allem, wenn ich in Deutschland bin und die wenig freundlichen Reaktionen der Presse erlebe. Dann sage ich mir, Gott sei Dank halten sie dich für irre. Das ist doch der wahre Grund für die Einladungen in deutsche Talkshows, die massenweise bei meiner Agentin Paula Bonelli ankommen. In Italien und Frankreich, wo man mich vor allem wegen meiner Filme und meines Witzes schätzt, ist das ganz anders. In Deutschland bedeutet mein Auftritt vor allem Skandal.
Entgegen den Ratschlägen von Freunden bin ich oft zu vertrauensselig. Ich denke an Erich Böhmes »Talk im Turm«. Seine Redaktion faxte meiner Agentin als Teilnehmer für ein Gespräch über gleichgeschlechtliche Beziehungen Karl Lagerfeld, Françoise Sagan und Inge Meysel durch. Als ich mein Hotel in Berlin zur Sendung verlassen will, treffe ich Lagerfeld und winke ihm zu: »Also, bis gleich.« Er fragt mich, was ich meine, und ich erfahre schließlich, dass er aus einem ganz anderen Grund in Berlin ist. Kopfschüttelnd sagt er: »Ich bin doch nicht so blöd, in eine deutsche Talkshow zu gehen.«
Zuverlässig, wie ich bin, gehe ich trotzdem hin, treffe weder auf die Sagan noch die Meysel, sondern nur den schwulen Regisseur Rosa von Praunheim der sich dann in der Sendung beschwert, dass Homos in Deutschland keine Sozialwohnungen bekommen. Nur Dummköpfe verstehen nicht, dass ich da explodiere. Ein Glas Champagner reicht, damit sich meine Aggression in wüsten Beschimpfungen entleert.
Die Sendung hatte ihren Skandal und ich eine miese Presse. Meine klarstellenden Leserbriefe dazu druckte niemand. AuchChristoph Schlingensief mit seiner ganz anderen Talkshow suchte die Aufmerksamkeit der Presse, als er die neben mir sitzende Beate Uhse übelst beschimpfte. Ich sprang ihr bei, und wir unterhielten uns prima. Wie kann man eine so charmante und erfolgreiche Lady so unterschätzen. Da lobe ich mir die Fairness von Thomas Gottschalk und Roger Willemsen, die ich in deren Talkshows erlebte.
Lange wehrte ich mich gegen dieses Buch, bin immer noch unsicher über den Sinn einer Lebensbeichte. Aus vielen Gründen. Ich mag keine Vorschriften, zum Beispiel, dies Buch so oder so zu schreiben, und fürchte doch das Urteil der Leser. In meinem Privatleben mache ich, was ich will. Das ist meine persönliche Entscheidung. Aber die Konsequenzen machen mir auch angst. Ich bin wie ein Dieb. Nicht den Diebstahl bereue ich, nein, ich fürchte die Strafe. Ganz anders bei Filmarbeiten. Als Teil einer Gruppe unterwerfe ich mich total dem Drehplan, da bin ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher