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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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und es tut mir leid. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    Ich bringe den Mut auf, ihn anzusehen.
    Seine Augen sind kobaltblau, blau wie ein Bluterguss. Klar, tief und entschlossen. Er sieht entschieden und versonnen zugleich aus. Als habe er die ganze Nacht darüber nachgedacht.
    »Okay.«
    »Warum willst du mir deinen Namen nicht sagen?« Er beugt sich vor, und ich erstarre zu Eis.
    Doch dann beginne ich zu tauen.
    Zu zerfließen. »Juliette«, flüstere ich. »Ich heiße Juliette.«
    Auf seine Lippen tritt ein sanftes Lächeln, das mein Rückgrat zertrümmert. Er wiederholt meinen Namen wie ein Wort, das ihn erheitert. Amüsiert. Erfreut.
    17 Jahre hat nie jemand meinen Namen so ausgesprochen .

5
    Ich weiß nicht mehr, wann es anfing.
    Ich weiß nicht mehr, warum.
    Ich weiß nur, dass sie schrien.
    Meine Mutter schrie, als sie merkte, dass sie mich nicht berühren konnte. Mein Vater schrie, als er merkte, was ich meiner Mutter angetan hatte. Beide schrien, wenn sie mich in meinem Zimmer einsperrten und mir sagten, ich solle dankbar sein. Für mein Essen. Für ihren menschlichen Umgang mit diesem Ding, das unmöglich ihr Kind sein konnte. Für den Zollstock, mit dem sie ausmaßen, wie weit ich wegbleiben musste.
    Ich hatte ihr Leben zerstört, sagten sie mir.
    Ich hatte ihr Glück kaputtgemacht. Und die Hoffnungen meiner Mutter, noch weitere Kinder zu haben.
    Konnte ich denn nicht sehen, was ich getan hatte, fragten sie mich. Konnte ich nicht sehen, dass ich alles ruiniert hatte.
    Ich habe mich so sehr angestrengt, alles wiedergutzumachen. Jeden Tag bemühte ich mich, so zu sein, wie sie es sich wünschten. Dauernd versuchte ich mich zu bessern, aber eigentlich wusste ich nicht, wie.
    Ich weiß jetzt nur, dass die Wissenschaftler sich irren.
    Die Erde ist eine Scheibe.
    Das weiß ich, weil ich vom Rand gestoßen wurde, und seit 17 Jahren versuche mich daran festzuhalten. Seit 17 Jahren versuche ich wieder auf die Scheibe zu klettern, aber man kann die Schwerkraft nicht bezwingen, wenn niemand einem die Hand reicht.
    Wenn niemand es wagt, einen zu berühren.
    Heute schneit es.
    Der Beton ist kalt und härter als sonst, aber ich finde die eisige Kälte besser als die erstickende Schwüle von Sommertagen. Sommer ist wie ein Gartopf, der alles nach und nach zum Schmoren bringt. Sommer verheißt mit schönen Wörtern Glück und serviert dann Fäulnis und Gestank. Ich hasse die Hitze und den klebrigen schweißnassen Dreck, den sie erzeugt. Ich hasse die gelangweilte Trägheit der Sonne, die so selbstverliebt ist, dass sie nicht einmal merkt, wie viele Stunden wir mit ihr verbringen. Sie ist ein arrogantes Wesen, das die Welt im Stich lässt, sobald sie das Interesse an ihr verliert.
    Der Mond dagegen ist ein treuer Begleiter.
    Er verschwindet nie. Er ist immer da, zuverlässig, schaut herunter, kennt unsere hellen und dunklen Momente, wandelt sich unentwegt, so wie wir. Jeden Tag zeigt er sich in einer anderen Form. Manchmal schwach und schwindend, manchmal kraftvoll und leuchtend. Der Mond versteht, was es heißt, Mensch zu sein.
    Unsicher. Allein. Gezeichnet von Kratern der Unvollkommenheit.
    Ich starre so lange aus dem Fenster, bis ich mich vergesse. Strecke die Hand aus, um eine Schneeflocke zu fangen. Meine Faust ist leer, umschließt nur kalte Luft.
    Ich möchte mit dieser Faust, die an meinem Handgelenk befestigt ist, das Fenster durchstoßen.
    Um etwas zu spüren.
    Um mich menschlich zu fühlen.
    »Wie viel Uhr ist es?«
    Meine Lider flattern. Seine Stimme bringt mich zurück in eine Welt, die ich vergessen will. »Weiß nicht«, antworte ich. Ich habe keine Ahnung, wie viel Uhr es ist. Ich weiß auch nichts mehr über Wochentage, Monate oder Jahreszeiten.
    Es gibt ohnehin keine Jahreszeiten mehr.
    Tiere sterben, Vögel fliegen nicht mehr, es gibt kaum noch Feldfrüchte oder Blumen. Das Wetter ist unzuverlässig. Im Winter hat es manchmal überall 30 Grad, und dann kommt es plötzlich zu Schneefällen. Es gibt nicht mehr genug Futter für die Tiere, und man kann nicht mehr genug anbauen, um die Bevölkerung zu ernähren. Die Menschen starben wie die Fliegen, bevor das Reestablishment die Macht übernahm und Lösungen versprach. Die Tiere waren so ausgehungert, dass sie alles fraßen, und die Menschen waren so verzweifelt, dass sie die vergifteten Tiere schlachteten. Dass sie starben, weil sie überleben wollten. Klima, Pflanzen, Tiere und Menschen sind untrennbar verknüpft. Doch die Elemente führten Krieg

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