Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
Klopfen an meiner Tür.
Schaut mich an, wollte ich zu euch sagen. Sprecht manchmal mit mir. Tut etwas gegen diese Tränen, damit ich zum ersten Mal in meinem Leben ausatmen kann.
2 Wochen.
2 Wochen ödes Einerlei. 2 Wochen mit dem Zellengenossen, der nah genug ist, um mich zu berühren der mich nicht berührt. Adam passt sich an das System an. Er beklagt sich nie, er gibt nie zu viele Informationen preis, er stellt immer noch zu viele Fragen.
Er ist freundlich zu mir.
Ich sitze am Fenster und schaue zu, wie Regen, Blätter und Schnee aufeinandertreffen. Abwechselnd tanzen sie im Wind, führen ihre Reigen auf, für nichtsahnende Menschenmassen. Die Soldaten stampfen stampfen stampfen durch den Regen, zertrampeln Blätter und Schnee. Ihre Hände, in Handschuhe verpackt, krallen sich um Gewehre, die Millionen Chancen mit Kugeln durchlöchern könnten. Die Soldaten scheren sich nicht um die Schönheit, die vom Himmel sinkt. Sie verstehen nichts von der Freiheit, das Universum auf der Haut zu spüren. Es ist ihnen gleichgültig.
Ich würde mir so gern den Mund mit Regentropfen vollstopfen und meine Taschen mit Schnee füllen. Ich würde so gern die Adern eines Blattes mit dem Finger nachziehen und spüren, wie der Wind mich in die Nase zwickt.
Stattdessen versuche ich die Verzweiflung zu verdrängen, die meine Finger verklebt, und halte Ausschau nach dem Vogel, den ich nur aus meinen Träumen kenne. Vögel konnten einst fliegen, heißt es in den alten Geschichten. Bevor die Ozonschicht zerstört wurde, bevor durch die Schadstoffe alle Wesen zu etwas Schrecklichem anderem mutierten. Es heißt auch, das Wetter sei nicht immer so unberechenbar gewesen. Es heißt, Vögel seien am Himmel gesegelt wie Flugzeuge.
Es erscheint sonderbar, dass ein kleines Tier zu solch einer Leistung imstande ist, zu so etwas Komplexem, was ansonsten nur die menschliche Ingenieurskunst erreicht hat, aber die Möglichkeit ist zu bestechend, um sie auszuschließen. Ich träume genau seit 10 Jahren von diesem Vogel am Himmel. Weiß mit goldenen Federn wie eine Krone auf dem Kopf.
Das ist der einzige Traum, der mir Frieden verschafft.
»Was schreibst du?«
Ich blinzle, schaue auf. Sehe seine kraftvolle Gestalt, sein lässiges Grinsen. Ich frage mich, wie er in dieser Situation lächeln kann. Frage mich, ob er so bleiben wird, ob er sich diesen Ausdruck erhalten kann, der Leben verändert. Ich frage mich, wie er sich in einem Monat fühlen wird, und mich schaudert bei diesem Gedanken.
Ich will nicht, dass er endet wie ich.
Leer.
»Hey –« Er zieht die Decke von meinem Bett, hockt sich neben mich und legt sie mir um die schmalen Schultern. »Alles okay?«
Ich versuche zu lächeln. Beschließe, die Frage nicht zu beachten. »Danke für die Decke.«
Er setzt sich neben mich und lehnt sich an die Wand. Seine Schultern sind so nah so nah nie nah genug . Die Hitze seines Körpers wärmt mich mehr, als jede Decke es jemals tun könnte. Meine Knochen flehen um etwas, das ich nicht zulassen darf.
Fass mich an .
Er schaut auf das kleine Notizheft in meiner Hand, den kaputten Stift in meinen Fingern. Ich klappe das Heft zu, rolle es zusammen und schiebe es in einen Spalt in der Wand. Betrachte den Stift. Ich spüre, dass Adam mich anstarrt.
»Schreibst du ein Buch?«
»Nein.« Nein, ich schreibe kein Buch.
»Solltest du vielleicht tun.«
Ich wende mich ihm zu und bereue es auf der Stelle. Nur wenige Zentimeter sind zwischen uns, und ich kann mich nicht rühren, weil mein Körper erstarrt. Jeder Muskel ist angespannt, jeder Wirbel meines Rückgrats wird zu Eis. Ich halte die Luft an, und meine Augen weiten sich, verfangen sich in seinem Blick. Ich kann nicht wegschauen. Ich weiß nicht, wie ich mich abwenden soll.
Oh.
Gott.
Seine Augen.
Ich habe mich selbst belogen, weil ich das Unmögliche nicht wahrhaben wollte.
Ich kenne ihn ich kenne ihn ich kenne ihn ich kenne ihn
Der Junge der sich nicht an mich erinnert, den ich von früher kenne.
»Sie werden die englische Sprache zerstören«, sagt er leise.
Ich ringe nach Luft.
»Sie wollen alles umgestalten«, fährt er fort. »Alles verändern. Alles zerstören, das Grund für unsere Probleme gewesen sein könnte. Sie meinen, wir brauchen eine neue universelle Sprache.« Er senkt die Stimme. Senkt den Blick. »Sie wollen alles zerstören. Jede existierende Sprache.«
»Nein.« Mir stockt der Atem, und ich sehe Flecken vor Augen.
»Ich weiß.«
»Nein.« Das wusste ich nicht.
Er
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