Die lebenden Puppen des Gerald Pole
Starr wie ein Toter blieb er auf dem Rücken liegen.
Er lauschte.
Nichts war zu hören.
Nein, das traf nicht zu. Er hörte doch etwas. Und zwar seinen eigenen Atem.
Der pumpte aus dem Mund und aus der Nase zugleich. Man konnte von einem schweren Geräusch sprechen, das die Stille des Zimmers zerstörte. Es klang auch nicht normal, sondern mehr angstvoll, und bei jedem Atemstoß spürte Pole auch den Druck, der in seinem Magen lag.
Ich bin wach!, sagte er sich. Aber wie geht es weiter? Warum bin ich wach geworden? Das war die große Frage. Er glaubte nicht daran, dass es einfach so passiert war. Dafür musste es einen Grund geben. Er konnte sich auch vorstellen, dass jemand Kontakt mit ihm aufnehmen wollte, und zwar ein Jemand, von dem er immer geträumt hatte.
Der Gedanke daran faszinierte ihn. Sollte er die Wirklichkeit erleben, die seinen Träumen sehr nahe kam, war das einfach wunderbar. Das wäre für ihn ein Fest gewesen. Lange genug hatte er darauf hin gearbeitet. Er hatte sich immer wieder vorgestellt, wie es sein könnte, wenn sein großer Traum in Erfüllung ging. Dass er sich irgendwann erfüllen würde, daran glaubte er fest.
Er lauschte.
Sein Atem setzte dabei aus. Er wollte die Stille haben, um fremde Geräusche hören zu können, aber da war nichts.
Gar nichts?
Nein, das stimmte auch nicht. Es war schon etwas vorhanden, aber es war nicht zu hören, sondern nur auf eine andere Art und Weise wahrnehmbar.
Er konnte es riechen – vielleicht auch schmecken …
Ja, genau, kein Irrtum. Es hatte sich in seinem Schlafzimmer ein anderer Geruch ausgebreitet. Das war ein Phänomen. Gerald wusste auch, dass ein Geruch nicht einfach nur so entstand, er musste eine Ursache haben. Es gab eine Quelle.
Und die lag in seinem Zimmer. Ganz bestimmt. Vielleicht in Höhe der Tür, die offen stand. Da war ein schattenhaftes graues Viereck zu sehen, aber nichts, was einen Geruch abgegeben hätte.
Und doch war er da …
Pole überlegte. Der Geruch war ihm suspekt, er konnte sich ihn nicht erklären, aber er konnte ihn auch nicht wegdiskutieren. Woher er kam, war ihm nach wie vor nicht klar, aber er war in der Lage, ihn zu bestimmen. So rochen Gasverbindungen. Leicht verbrannt, auch schweflig. Man konnte ihn durchaus als übel bezeichnen, doch das tat Gerald Pole nicht. Er dachte anders darüber. Dass der Geruch vorhanden war, kam ja nicht von ungefähr. Da wollte jemand etwas von ihm. Man hatte ihm den Geruch geschickt, damit er vorgewarnt war.
In den letzten Minuten hatte Gerald nichts getan. Und doch spürte er, dass er verschwitzt war. Sein Schlafzimmer glich mehr einer Kammer. Das winzige Fenster passte dazu. Auch wenn es offen stand, drang nicht viel Luft ein.
Der Geruch breitete sich in alle Richtungen aus. Das Haus lag neben einer Schule, von dort konnte der Geruch auch nicht stammen.
Also war jemand da!
Und dazu passte auch das Zischen, das jetzt an seine Ohren drang. Zuerst hatte er an das Zischen einer Schlange gedacht, doch das traf nicht zu. Etwas anderes hatte das Geräusch abgegeben.
Oder jemand?
Ja, ein Jemand. Einer, der sogar die Stimme eines Mannes hatte und Gerald nun begrüßte.
»Hallo, mein Lieber, ich bin es. Ich weiß, dass du dich nach mir gesehnt hast. Nun aber bin ich da, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.«
Gerald Pole sagte erst mal nichts. Er schnappte nur nach Luft. Schließlich hatte er sich gefasst und konnte eine Frage stellen.
»Wer bist du denn?«
»Ganz einfach. Ich bin dein Freund, der Teufel …«
***
Die Dunkelheit war da und sie schluckte die Gestalt auch. Gerald Pole sah sie nicht. Er war trotzdem davon überzeugt, Besuch bekommen zu haben. Wenn das alles so stimmte, dann war tatsächlich sein größter Traum in Erfüllung gegangen.
Wieder war die Hitze bei ihm. Und auch die Kälte. Beides wechselte sich bei ihm ab. Er hätte eigentlich vor Freude jubeln müssen, denn er war ganz wild darauf, dem Teufel zu begegnen. Allerdings jetzt, wo er endlich davor stand, seinen Traum erfüllt zu bekommen, dachte er anders darüber. Da verspürte er sogar eine gewisse Angst. Daher schien auch das Zittern zu kommen.
Auf seinem Körper lag eine dünne Decke. Auch sie war längst durchgeschwitzt. In seinem Kopf saß etwas zu. Sein Denken wurde behindert. Warum das so war, wusste er nicht. Es konnte an der Überraschung liegen.
Gerald Pole hätte längst das Licht einschalten können, das allerdings traute er sich nicht. Er wollte seinem für ihn nicht sichtbaren
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